Triggerwarnung, der Mod.! (von mir eingebaut)
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erst seit kurzem euer forum entdeckt-fühl mich bei euch sehr geborgen! tolle texte, interessante ansichten und viel tiefgang. wunderbar! möchte euch den anfang einer laaangen geschichte senden, die ich gerade schreibe.
mit den besten grüßen aus wien
Das Allererste Aufwachen ohne Dir war seltsam. Ich öffne meine Augen und sehe mich um. Langsam erwache ich in diesem neuen Schlafzimmer meiner ebenso neuen Wohnung und lasse meine Hände über das sehr neue Leintuch wandern. Weichspüler, das muss ich besorgen. Du hast es gehasst, wenn die Wäsche kratzig war. Ich stehe auf und bereite mir einen Kaffee. Ich versuche, leise zu sein, damit Du nicht aufwachst. Vorsichtig öffne ich den Kühlschrank, die Milch ist wie immer ganz unten. So wie Du es immer wolltest. Ordnung muss sein. Und zwar leise. Dann knalle ich die Kühlschranktüre laut zu, lehne mich an die Wand und atme tief durch.
Laura schiebt die handgeschriebenen Zettel zur Seite um die Zeitung zu lesen. Ohne auf den Inhalt zu achten, blättert sie die Seiten um, fahrig reißt sie die Zeitung fast auseinander, um sie dann wieder ungelesen hinzulegen und sich ausschließlich dem Kaffee trinken zu widmen. Welche Lebensmittel könnte ich einkaufen, was will ich essen, ich gehe dann auf die Straße, ja, ich gehe.
Der Betrieb auf der Straße nimmt zu, immer lauter werdend dringt Alltagslärm an ihr Ohr und Laura schiebt die grauen Lamellenjalousien zur Seite und sieht, wie sich die Gehsteige füllen mit Menschen, die zur Arbeit gehen. Eltern, einzelne Müttern, die die Kinder zur Schule bringen. Komisch, ich kann mich nicht erinnern, dass mich jemals irgendwer zur Schule gebracht hat. Sie muss sich wieder ins Bett legen, zusammengerollt, die Knie an die Brust gezogen, das wärmt.
Nur die Augen zumachen, Du brauchst nicht schlafen, das hat sie ihm immer ins Ohr geflüstert, wenn er müde war.
Nur die Augen zumachen, nur ausruhen, ich muss nicht schlafen, ich will nicht schlafen, ich will nicht schlafen.
Es war bereits Mittag, als es an der Türe läutet. Die Gegensprechanlage funktioniert nicht, hat ihre Vermieterin gesagt, aber der Türöffner schon.
Laura öffnet die Türe, lässt sie offen stehen und geht währenddessen in die Kühe, um Wasser zu trinken.
„Kind! Ich hab Dich mindestens 10mal angerufen, Du hebst nicht ab, ich habe mir Sorgen gemacht!“ Ihre Mutter steht aufgebracht vor ihr und starrt sie an. Und warum nimmst Du mich nicht einfach in den Arm? Wenn Du Dir tatsächlich Sorgen machst? „Ich habe geschlafen. War müde.“ „Das weiss ICH doch nicht, ich mache mir Sorgen! Ich bin Deine Mutter! Mach das nie wieder, hörst Du?“
„Ja, ich machs nie wieder. Möchtest Du Kaffee?“ „Nein, danke, ich trinke keinen Kaffee mehr, das ist nicht gesund. Tee ist das Beste, ich hab Dir einen mitgebracht, das ist der beste Tee, er ist genau das richtige für Dich!“ Während Laura einen Schluck Kaffee trinkt, sieht sie ihre Mutter oberhalb der Tasse an und genießt das Gefühl, nichts mehr zu hören, sondern nur die Gesten und Mundbewegungen dieser Frau zu beobachten. Ihre Ohrentüren, so nennt sie das. Eigene Erfindung.
„…Ja, und das habe ich eben gestern bei dem tollen Seminar gelernt. Verstehst Du, was ich meine?“ „Ja, ich verstehe. Und, wie geht’s sonst?“ Sie behandelt mich immer noch wie ein kleines Kind, wie ein dummes, kleines Kind. Das nicht alleine leben kann. Wie ein dummes kleines Kind. Das noch nicht sie Sprache der Erwachsenen versteht. „Ich bin erwachsen.“ Erschrocken hält sich Laura die Hand vor den Mund. „Ich meine, was hast Du gesagt?“ Ihre Mutter sieht sie streng an. „Mama, bitte geh.“
Die Frau verliert fast den Atem.“Wie bitte?“ Japst sie mit größter Anstrengung, Luft zu holen. Jetzt kommt ihr Blick. Mit dem sie uns als Kind gesteuert hat. Dieser Blick, der nur Strenge und Überlegenheit zeigt. „Bitte geh.“ Bist Du so dumm oder stellst Du Dich nur so? Bist Du so dumm oder stellst Du Dich nur so? Sie hat es immer zehnmal hintereinander gesagt, bis meine Schwester aufgegeben hat, vor den Schlägen und endlich mitten unter Tränen gesagt hat, ja, ich bin so dumm. „Bitte geh.“ Laura steht mit gesenktem Kopf in der offenen Türe.
„Also Du …“ Laura schiebt die Frau aus der Wohnung, dreht den Schlüssel zweimal um und geht wieder in die Kühe, die dritte Tasse Kaffee trinken.
Wenn ich Dich jetzt anrufe, bringt das nichts. Du wirst denken, ich schaffe es nicht alleine, ohne Dich. Wenn ich Deine Stimme höre, werde ich nicht mehr reden können. Ich rufe Dich an. Ich rufe Dich nicht an. Wie wirst Du mich begrüßen?
Laura geht durch die Wohnung. Im Wohnzimmer stehen noch die Umzugskartons, Sofa und Tisch mit den roten Sesseln an der Seite des Raumes. Dazwischen verteilt, am Boden lose verstreut ihre restlichen persönlichen Dinge, die sie aus dem Umzugsauto einzeln in die Wohnung geschafft hat, es waren zuwenig Kartons da. Ausserdem war wenig Zeit, um alles in Kartons zu schlichten. Der Auszug aus der gemeinsamen Wohnung ging eigentlich binnen 2 Stunden vonstatten.
Das Wasser aus der Dusche tröpfelt langsam auf ihren Körper. Reglos steht sie unter dem Wasserstrahl. Die Augen geschlossen, wandern ihre Hände zum Temperaturregler und sie dreht den Hahn nach links. 25 Grad, 20 Grad. 15 Grad. Die Einteilungen waren in fünferstellen eingeteilt. Jedesmal ein Klacken zu hören, der Widerstand zu 5 Grad wurde stärker. Das eiskalte Wasser prasselt auf ihren Körper und sie steht immer noch regungslos unter dem Wasserstrahl. Das Gefühl ihres Körpers passte nun zu dem ihres Verstandes. Eiskalt, gefühllos und kalt. 5 Grad kalte Gefühllosigkeit.
Sie dreht das Wasser ab, steigt aus der Dusche und trocknet sich ab. Ihr Gesicht im Spiegel erscheint ihr fremd.
Sie kleidet sich an und geht aus dem Haus. Die Sonne scheint schon kräftig und Laura sucht den Schatten. Ohne Plan setzt sie einen Schritt vor den anderen, sie nimmt die Menschen um sie herum wahr, als stünde sie hinter einer Glasscheibe und betrachtet das Leben der anderen wie in Watte gepackt. Sie sieht Menschen, die sich unterhalten, Menschen, die lachen und miteinander reden. Als ob sie unsichtbar wäre, verschwindet sie in der Masse und senkt ihren Kopf. Die Tränen tropfen auf ihr weisses T-Shirt, sie lässt es zu und bleibt stehen.
„Kann ich Ihnen helfen?“ Laura blickt auf und kann nur verschwommen eine freundliches altes Gesicht erkennen, die sich besorgt zu Laura hinunterbeugt. „Nein, danke, geht schon wieder.“ Laura dreht sich um und knapp vor ihrer Wohnung muss sie laufen, sie stürmt mit letzter Kraft die Stiegen hinauf, das vierte Stockwerk, inklusive Mezzanin also das fünfte, das hat ihr die Vermieterin genau erklärt und mit zitternen Händen sperrt sie die die Wohnungstüre auf und stürzt in die Wohnung, als würde sie verfolgt. Mantel, Tasche, Schlüssel, Kleidung ausgezogen, alles am Boden verstreut, geht sie in ihr Schlafzimmer und rollt sich unter der Decke zusammen.
Nur die Augen zumachen, nicht schlafen. Nur Ruhe, nicht schlafen. Sie fällt sofort in einen tiefen Schlaf und träumt zum ersten Mal von der Sache mit dem Rollstuhl.