stummer Schrei
Siehst Du das kleine Mädchen dort drüben,
das da steht mit hängendem Kopf?
Die Schultern nach vorne gezogen,
einen Malblock in der Hand.
Ihre Art, mit allem umzugehen, ihre Art zu sprechen.
Über Gefühle, die sie nicht zeigen darf.
Gefühle, die nicht bestärkt oder geachtet werden.
Die keine Rolle spielen. Oder sie werden mit Füssen getreten.
Sie darf sie nicht haben. Sie weiß nie, ob schlecht oder gut.
Sie haben es ihr nie erklärt.
Wenn sie traurig ist und Trost sucht,
heisst es, sei nicht so launisch.
Ist sie verletzt und wütend,
bekräftigt es das nur.
Sie ist nicht launisch, nur einsam.
Siehst Du ihre Augen, die sie gesenkt hält,
sie schaut niemanden an. Ängstlich, zurückhaltend.
Denn jeder Kontakt birgt Fehler, so viele.
warum bist Du so still?
warum lachst Du nicht?
warum ziehst Du Dich zurück?
warum bist Du nicht lebhaft?
warum liest Du ständig?
Niemand versteht den Schmerz hinter dem gesenkten Blick.
Den Wunsch, woanders zu sein.
Siehst Du das Mädchen dort stehen?
Du hast sie nicht bemerkt, stimmts?
Sie ist unscheinbar, macht nicht laut
fordernd auf sich aufmerksam.
Aber sie ist da. Wartet...
Sie möchte dazu gehören.
Sie wünscht sich, dass sie alles, was sie zu Papier bringt,
jemandem sagen könnte.
Aber... bestimmt möchte es niemand hören.
Niemand hat Zeit. Eigentlich gibts viel wichtigeres.
Siehst Du das Mädchen dort stehen?
Sie fragt sich, ob es nur ihr so geht.
Ob es weitere unsichtbare Menschen gibt auf dieser Welt.
Was, wenn es einen Ort gäbe, wo sie alle zusammenkommen?
Sie würden sich dann sehen können,
sie würden einander verstehen.
Dort würden sie dazu gehören.
Gehört, verstanden, akzeptiert.
Doch so einen Ort kann es nicht geben.
Mir ist es oft so gegangen im Leben.
Oft fühle ich mich wie unsichtbar
Wenn ich mich bemerkbar machen will,
habe ich das Gefühl, ich nerve alle nur.
... bestimmt möchte es niemand hören,
Niemand hat Zeit. Eigentlich gibts viel wichtigeres.
Siehst Du das Mädchen da stehen?
Ja, sie ist mittlerweile gewachsen, kein Kind mehr.
Es gibt Menschen, die ihre Qualitäten zu schätzen wissen.
Doch auch jetzt noch gibt es diese Momente...
Siehst Du das kleine Mädchen dort drüben,
das da steht mit hängendem Kopf?
Die Schultern nach vorne gezogen?
Sie ist wieder da zusammen mit der Angst
"nicht gemocht zu werden",
"nicht gehört zu werden". Unsicher.
Darf sie fühlen, wie sie fühlt?
Ein Überbleibsel der Kindheit...
Siehst Du das Mädchen da drüben?
Das die Hand ausstreckt,
auf den Arm möchte und nicht gehört wird.
Es hat Angst,
es wurde verlassen. Es weiß nicht wieso.
Es denkt, es müsse so sein.
Bestimmt liegt es an ihr...
Jemand meldet sich nicht....
Jemand ist wütend...
Jemand zieht sich zurück...
Im Kopf läuft ein Film ab!
Tausend Gründe, warum...
Doch es gibt Gründe, die nichts mit ihr zu tun haben!
Warum alles als "Ablehnung" empfunden...
Angst...
macht panisch und regiert.
Siehst Du das kleine Mädchen da drüben?
Sie ist wieder da....
"abhängig" von anderen,
von äusserer Bestätigung/Zuneigung/ Akzeptanz,
weil sie nie lernte, sich zu mögen.
Weil sie nie lernte, ihren Gefühlen zu trauen
und sie zu verteidigen.
Weil sie niemand ermutigte,
etwas zu versuchen.
Weil ihr keiner sagte,
dass sie es wert sei.
Siehst Du das kleine Mädchen da drüben?
Ich stelle mich zu ihr.
Ich verstehe sie.
Sie muß nichts sagen.
Ich nehme ihre Hand.
Sie schaut zu mir auf.
Und ich merke...
sie ist ich.
Sie ist immernoch da,
ich muß ihr helfen!