Wie soll es bloß weitergehen?

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Wie soll es bloß weitergehen?

Beitragvon Vanessa89 » Mo. 12.03.2012, 11:31

Hallo Zusammen!
Ich bin total fertig. Vielleicht hilft es einfach mal alles aufzuschreiben. Ich bin 22 Jahre alt, ich glaube, dass die Probleme vor einem Jahr noch nicht so stark waren.
Wann genau es angefangen hat, kann ich aber irgendwie nicht sagen. Ich habe mit 19 Abi gemacht, angefangen auf Lehramt zu studieren, habe aber nach dem dritten Semester gemerkt, dass der Beruf doch nicht das Optimale für mich ist. Ich wusste nicht was ich nach dem Abi machen sollte. Nun stand ich aber wieder da und wusste nicht wirklich was ich mit meiner beruflichen Zukunft anfangen soll und fing an etwas zu zweifeln, hatte Angst das falsche zu studieren und einen Beruf zu ergreifen, den ich nicht wirklich mag. Einen wirklichen Traumberuf hatte ich nie. Ich hätte ganz gerne Medizin studiert, müsste aber eine Ausbildung vorschieben. Da ich aber drei Semester verschenkt hatte, wäre ich erst mit 30 fertig. Ich wollte nie einen Bürojob, habe mich jetzt aber für BWL entschieden, da ich echt keine Ahnung hatte, was ich beruflich machen möchte. Naja, das war noch nicht so ganz schlimm. Vor 2 Jahren wurde mein Papa krank, was erst nicht so schlimm war. Mir fällt es schwer, das alles in eine zeitliche Reihenfolge zu bringen, ich weiß gar nicht wie es so gekommen ist. Ich war immer sehr sportlich, spiele Handball und Tennis, was immer gut geklappt hat, ich wareine gute Spielerin und habe mich mit Niederlagen nie wirklich auseinandersetzen müssen. Dazu muss ich sagen, dass ich eine wirklich tolle Kindheit hatte, meine Eltern haben mich und meinen Bruder geliebt und unterstützt wo es nur geht und uns wirklich alles ermöglicht. In der Schule gab es nie Probleme, gute Noten und ein gutes Abi. Bei einer Größe von 1,77 habe ich immer so 65 Kilo gewogen, was eigentlich normal ist. Irgendwann fand ich, dass ich einen kleinen Bauch bekommen hatte und wollte etwas abnehmen. Habe mehr Sport gemacht, bin gerne Joggen gegangen, habe meine Ernährung umgestellt und einfach keine Schokolade mehr gegesse. Habe dann auch 7 Kilo abgenommen und wiege jetzt immer um die 57 Kilo, womit ich Anfanga echt zufrieden war. Vor etwa einem Jahr bekam mein Papa dann die Diagnose, Krebs. Ich habe aber immer noch gedacht, dass alles wieder gut wird. Ich habe im Internet recherchiert, wie so die Heilungschancen bei dieser Diagnose sind und überall stand nur, dass die Patienten meist noch ein Jahr leben. Ich habe mir lange eingeredet, dass es ja vielleicht doch eine andere Art von Krebs ist, das ja alles nicht sein kann. Wir haben in der Familie nie drüber gesprochen, dass alles so hingenommen, so dass ich das Gefühl hatte, dass auch meine Eltern meinten es wird alles wieder gut. Ich war auch zu dem Zeitpunkt gar nicht so fertig, vielleicht lag es daran, dass ich mir einfach eingeredet habe, dass es gut wird. Ich glaube, dass es in diesem Zeitraum war, dass ich sehr stark auf meine Figur geachtet habe und auf keinen Fall wieder zunehmen wollte. Dann ging alles ziemlich schnell, meinem Papa ging es immer schlechter, musste oft ins Krankenhaus, veränderte sich durch die Therapien innerlich und äußerlich sehr, bis er dann zum Pflegefall wurde und noch nicht mal mehr alleine auf die Toilette konnte. Erst dann fing ich an das ganze so langsam zu realisieren, wollte es aber nicht wahrhaben. Ich hatte das Gefühl, dass meine Mama immer noch dachte, dass er wieder gesund wird. Wobei sie mir heute sagt, dass sie es natürlich auch geahnt hat. An einem Tag kam ich aus der Uni, da war meine Mama schon am weinen und hat mir gesagt, dass Papa wieder mit dem Rettungswagen abgeholt wurde und sie ihn dieses Mal direkt auf die Palliativstation gelegt haben. Ab diesem Punkt war mir natürlich klar und meiner Mum auch, dass gar nichts mehr gut werden wird. Ich konnte mir nicht vorstellen wie ich es schaffen sollte meinen Papa dort zu besuchen. Das war ich ihm aber einfach schuldig, ich war immer Papas Prinzessin. Irgendwann hätte ich es bereut. Ich bin ich dann mit meiner Mama dorthin gefahren, sind ins Zimmer und ich wusste nicht wie ich mich verhalten sollte, ich konnte mich 5 Minuten zusammenreißen, konnte dann aber nicht mehr und musste raus. Ich bin am nächsten Tag aber wieder in die Uni, habe versucht den Tag „normal“ zu verbringen. Am nächsten Tag bin ich alleine zu Papa gefahren, stand aber eine halbe Stunde vor der Zimmertür und habe es dann doch nicht geschafft rein zugehen. Nach 2 Tagen sagte meine Mama, dass es Papa sehr schlecht geht. Sie hat in jeden Tag lange besucht, hat mir aber geraten es besser nicht mehr zu tun, da es wirklich schlimm anzusehen war. Einen Tag später meinte sie dann, dass sie nicht glaubt, dass Papa die Nacht noch überleben wird. Ich entschied mich noch einmal mit ihr hinzufahren. Es war so schwer, die Tür war auf und man hörte schon bis auf den Flur die schlimmen Atemgeräusche. Als ich rein ging lag er mit geschlossenen Augen dort, bekam nichts mehr mit, ich habe nur gebetet, dass er keine Schmerzen hat. Wir saßen bei ihm am Bett und ich nahm alles wie in Trance wahr. Ich habe ich mich noch von ihm verabschiedet, da ich ihn wohl das letzte Mal sehen werde. Am nächsten Tag sagte meine Mama mir, dass er die Nacht verstorben ist.Trotzdem machte ich mich auf den Weg zur Uni, es war genau in der Klausurenphase. Ich musste viel lernen und aus irgendwelchen Gründen stellte ich mich sehr unter Druck. Wenn ich schon nicht wirklich wusste, was ich mit meiner Zukunft machen sollte, ob das der richtige Studiengang ist, wollte ich wenigstens gute Noten schreiben. In einer Woche 4 Klausuren und ich fing an von morgens bis Abends zu lernen. Resultat war, dass ich 3 Klausuren ziemlich schlecht bestanden habe, eine nicht bestanden. Das ist kein Drama, aber für mich war es eins. Ich war ziemlich fertig und habe das Gefühl zu doof zu sein und zweifelte sehr an mir. (Ich hatte immer gute Noten geschrieben). Ich wohne noch Zuhause, habe aber schon länger gedacht, dass ich gerne in meine Studienstadt ziehen möchte um einfach auf eigenen Beinen zu stehen. Nur wollte ich nicht ausziehen, weil ich in der Zeit als mein Papa krank war dann das Gefühl gehabt hätte, meine Mum damit alleine zu lassen. Und auch jetzt kann ich es ihr nicht antun, sie alleine zu lassen. Ich habe keinen Freund, immer wenn ich jemanden kennen lerne ziehe ich im letzten Moment zurück, bevor es mir zu „intim“ wird. Beim Handball hat es im letzten Jahr nicht gut funktioniert, ich hatte ein Tief, was wohl jeder Sportler mal hat, bin aber nicht mehr rausgekommen und fühle mich einfach schlecht. Meine Freunde sagen, ich würde mich schlechter machen als es tatsächlich ist. Als ich angefangen habe abzunehmen, war mein Ziel nicht wieder zuzunehmen, ich bekam eine Krise wenn es mal wieder ein Kilo mehr war. Ich wollte immer schlanker sein, obwohl ich eigentlich weiß, dass ich nicht dick bin. Ich habe lange keine Schokolade mehr gegessen, was kein Problem war. Als es so stressig wurde, habe ich gelegentlich mal wieder ein Stück gegessen, was aber in Fressattacken geendet hat. Zuerst nur ganz selten. In letzter Zeit wird es häufiger. Ich esse dann immer alles auf einmal bis mir schlecht ist und ich mich übergeben musste. Das war nur einmal und ich dachte mir, das kann ja mal passieren. Jetzt hatte ich gestern eine ziemliche Essattacke und habe mich dann übergeben um kein schlechtes Gewissen zu haben. Ich habe mir gesagt, dass es definitiv nur eine einmalige Sache ist. Heute Morgen ist es mir wieder passiert.
Ich war wie gesagt immer ziemlich sportlich, habe gerne Sport gemacht. In letzter Zeit habe ich keine Lust mehr laufen zu gehen, mir ist schwindelig wenn ich dann doch gehe, zum Handballtraining oder Spielen habe ich keine Lust mehr, da ich weiß, dass ich ohnehin wieder schlecht spielen werde. Ich bin antriebslos, habe keine Motivation was zu machen. Ich kann das Gefühl schlecht beschreiben, aber ich lebe irgendwie einfach nur so in den Tag hinein, lerne für meine Klausuren, die ich bald noch schreibe und warte auf den nächsten Tag. Ganz seltsam. Ich habe seit 3 Monaten meine Periode nicht mehr, habe das auf den Stress und meinen Gewichtsverlust geschoben. Ich bin nur noch unzufrieden mit mir, mag meine Figur nicht, fühle mich im Sport wie ein Verlierer, da nichts mehr klappt und die Uni läuft momentan auch nicht optimal. Ich muss dazu sagen, dass ich schon immer etwas perfektionistisch war, wenn ich was mache, dann möchte ich es richtig machen.
Ich habe Angst, dass das mit meinen komischen Essgewohnheiten schlimmer wird und nicht bei diesen beiden Malen bleibt. Wenn ich viele süße Sachen auf einmal esse, fühle ich mich für einen Moment gut. Ich bin mir absolut bewusst, dass ich nicht zu dick bin, ich wäre nur gerne sehr dünn. Vielleicht mache ich das, weil es mir selber gut gefällt, vielleicht denke ich aber auch, dass ich andere Sachen schon nicht hinbekomme, dann kann ich wenigstens eine gute Figur haben. Ich weiß es nicht! Ich habe Angst davor, dass mein Leben aus dem Ruder läuft, ich habe doch 19 Jahre ein Leben geführt, wovon man träumen kann. Was ist da nur los?
Ich hatte das Gefühl mit dem Tod meines Papas irgendwie klar zu kommen, ich konnte es doch ohnehin nicht ändern. Ich bin oft am Grab, da muss ich weinen, wenn ich Fotos sehe muss ich weinen und letztens lag ich abends im Bett und habe mir viele Gedanken gemacht, was muss Papa gedacht haben, als er da so lag? Hätte ich ihn viel öfter besuchen und unterstützen müssen? Hätte der ein oder andere Streit damals sein müssen? Irgendwann konnte ich einfach nicht mehr aufhören zu weinen… Ich kann mich nicht dran erinnern jemals so lange geheult zu haben.
Bei vermeintliche Kleinigkeiten, wenn etwas auf Anhieb nicht gleich funktioniert oder andere Banalitäten könnte ich anfangen zu heulen.
Ich habe so ein ganz komisches Gefühl und kann es nicht beschreiben. Ich habe das Gefühl irgendwas zu verpassen in meinem Leben.
So, das ist aber sehr lang geworden, ich hoffe trotzdem, dass sich jemand die Mühe macht
Lieben Gruß
Vanessa
Vanessa89
 

Re: Wie soll es bloß weitergehen?

Beitragvon planb » Mo. 12.03.2012, 13:53

Wirklich langer Text. Ich nehme an, es ist deine allgemeine Unzufriedenheit und Unklarheit über die Zukunft, dass es dir nicht so gut geht. Kann das sein?
planb
 

Re: Wie soll es bloß weitergehen?

Beitragvon Vanessa89 » Mo. 12.03.2012, 15:27

Ich weiß es nicht, denke dass das zu der allgemeinen Situation momentan auch noch dazu beiträgt.
Vanessa89
 

Re: Wie soll es bloß weitergehen?

Beitragvon Atisha » Mo. 12.03.2012, 19:06

Kannst du nicht ein Urlaubssemester bekommen, du musst doch schließlich trauern dürfen? Diese Auszeit würde ich mir gönnen.
Ich frage mich ob du nicht schon vor allem gespürt hast, dass dem Gut sein und beste Leistung bringen irgendwann mal Grenzen gesetzt sind?
Auch musst du bedenken das das Leben nicht so geradlinig läuft, vor allem wenn man in eine neue Lebensperiode eingetreten ist. Ich spreche von dem Zeitpunkt des Erwachsen seins mit 21Jahren.
Atisha
 


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