Kapitel 1
Der Anruf
Es ist ein Anfang. Aber der Anfang von was? Der Anfang vom Ende? Ich weiß es nicht, noch nicht.
Ich puste den Zigarettenrauch aus meinen Lungen, während ich mich frage, ob es nicht doch ein Fehler war. Was könnte ein einziger Anruf schon anrichten? Würde sich tatsächlich alles verändern? Ich kann immernoch einen Rückzieher machen und niemand würde etwas davon erfahren.
Durch die dichten Rauchschwaden werfe ich ein Blick auf das Telefon, dass direkt vor mir liegt. Vor meinem geistigen Auge sehe ich es wie ein Damoklesschwert über meinem Kopf schweben. Und ein weiteres Mal frage ich mich, ob es wirklich die richtige Entscheidung war. Tatendrang und Entschlossenheit, welche mich noch minuten zuvor beherrscht hatten, waren plötzlich wie weggeblasen. Genau wie der kalte Rauch, der vor mir in der Luft hängt. Beim ausdrücken der Zigarette merke ich, wie sehr ich zittere. Die wohlbekannte Angst ergreift ein weiteres Mal Besitz von mir.
Noch immer habe ich die typische, monotone Stimme der Vorzimmerdame in meinem Kopf.
'Ich hätte gerne einen Termin' habe ich gesagt.
'Wäre ihnen Donnerstag, 16.45 Uhr recht?' Donnerstag 16.45 Uhr. Ein Wendepunkt, da bin ich mir sicher. Aber in welche Richtung? Ein paradoxer Gedanke. Nichts im Leben ist wirklich präzise. Ich kann keine Gefühle beschreiben, genauso wenig, wie ich Farben beschreiben kann. Das Leben ist keine einfache Aneinanderkettung von Ereignissen, sondern es verläuft flüssig, wie Wasser. Man kann es nicht trennen. Nichts im Leben ist präzise, aber dennoch habe ich einen Termin für einen Wendepunkt in meinem Leben. Donnerstag 16.45 Uhr. Paradox.
Ich zünde mir eine weitere Zigarette an. Lass dich nicht von der Angst beherrschen, sage ich mir. Schüttele sie ab. Ich nehme einen kräftigen Zug und spüre, wie das Leben in meinen Körper eindringt und gleichzeitig den Tod mit sich bringt. Eine Ironie des Schicksals.
'Worum geht es?' hat sie gefragt.
'Ich...'. Worum ging es eigentlich? Was sollte ich ihr sagen, was sollte ich schon jetzt preisgeben? Alles oder nichts.
'Ich brauche Hilfe. Ich glaube, ich bin depressiv.'