Platos Höhle verlassen
Stellen sie sich vor, sie sind der Gefangene in Platos Höhle, der soeben seine Ketten abgestreift hat und der,
wie wohl er erkennt, dass diese Dinge die er vor sich sieht durchaus real sind, gerade aber auch erst zu begreifen beginnt, dass sie tatsächlich nicht die Ganzheit der Welt darstellen, wie er vorher fraglos geglaubt hat.
Stellen sie sich vor, dass sie, seit ihrer Kindheit ein Gefangener, zum ersten mal mehr sehen als bloße Schatten.
Sie sind erschrocken und verwirrt.
Ihre neue Freiheit scheint, anstatt sie zu befreien, nur zu fesseln, scheint eher zu verhüllen, als zu erhellen.
Es ist fremd, es ist Wahnsinn, denn es darf nicht wahr sein, es widerspricht allen früheren Erfahrungen und
Glaubenssätzen, allem was man gelernt hat.
Sie betört und blendet, sie entsetzt und verwirrt, sie schwächt und sie isoliert.
Und dennoch, trotz allem ist sie Freiheit und einmal ergriffen, kann sie nie wieder losgelassen werden.
Zu mancher Zeit werden sie darum betteln und beten, von ihr befreit zu werden, ja sogar in ihren früheren Zustand zurückzukehren, aber sie wissen bei sich, dass sie selbst wenn sie die Wahl hätten, das nicht annehmen würden.
So schwer die Bürde auch ist, sie ist doch der vorhergehenden Gefangenschaft unendlich vorzuziehen.
Aus dem Buch In tiefer Finsternis von Phillip Fürst