Es ist mir irgendwie unangenehm, öffentlich zu schreiben, aber ich muss es jetzt los werden. Ich muss versuchen klare Worte zu finden, ohne sie aussprechen zu müssen, auf die irgendjemand klar reagieren kann...
Es geht um mich und meine Geschichte, meine Gedanken und vor allem um meine Verzweiflung, die ich in diesem Moment empfinde und mit der ich nicht umzugehen weiß.
Ich schreibe zum ersten Mal in meinem Forum, doch ich habe schon mitbekommen, dass man Trigger als solche markiert - das was ich aufschreibe ist durchaus ein Trigger.
Es beginnt mit einem jüngerem Ereignis: vor 10 Monaten wurde ich nach der Arbeit auf dem Weg nach Hause überfallen. Es war spät und ich hatte sogar meine Schicht überzogen.
Ich wurde von einem Fremden mit einem Messer bedroht. Er hielt es an meine Leistengegend, so dass ich den Druck der Klinge durch meine Kleidung spüren konnte. Impulsiv griff ich in meine Handtasche, darin hatte ich ein Pfefferspray - für solche Fälle... Doch der Mann drückte das Messer fester gegen mich und ich nahm meine leere Hand wieder aus meiner Handtasche und bewegte mich nicht weiter. Der Mann griff in meine Hose. Er drang mit seinen Fingern in mich ein. Dann griff er in seine Hose und öffnete sie schließlich. Er masturbierte und kam auf meinem Shirt. Dann bekleidete er sich wieder und irgendwann lockerte er den Druck der Klinge gegen meinen Körper und das war der Moment, in dem ich davon lief.
Dann habe ich ein Blackout, das nächste, was ich weiß ist, dass ich vor meinem Wohnhaus stand und mein Shirt in die Mülltonne stopfte. (Ich hatte ein Hemd darunter.)
Ich weiß nicht, wie ich nach Haus gekommen bin. Das gruselt mich wahnsinnig.
Und wenn ich daran denke, kommt es mir sehr unwirklich vor, als wäre es erfunden. Gleichzeitig hasse ich mich so sehr dafür, geschehen gelassen zu haben, was geschehen ist. Ich empfinde unglaubliche Scham, Ekel und Angst. Und Selbsthass.
Ich habe eine Woche später in einer Beratungsstelle angerufen und schnell einen Termin bekommen. Dort gehe ich ein mal die Woche hin und es tut mir gut. Ich arbeite an den Folgen meines Erlebnisses (Angststörungen, Panikattacken,Flashbacks...) und mein Familienleben "normalisiert" sich langsam. Vielleicht, weil es muss. (Ich habe einen Partner und eine Tochter. Mein Partner ist nicht der leibliche Vater meiner Tochter, sie stehen sich aber unfassbar nah.)
Meinem Partner habe ich relativ bald von dem Vorfall erzählt. Es war sehr schwer, aber wir sind da zusammen durch und unsere Beziehung ist so innig und stark wie nie zuvor und er tut mir unheimlich gut.
Das bringt mich zum zweiten Teil meiner Geschichte, der eigentlich viel länger zurück liegt. Der auch meine Verzweiflung gerade auslöst. In letzter Zeit habe ich immer wieder Flashbacks von ganz anderen Situationen. Situationen, die teilweise über vier Jahre zurück liegen. Situationen aus meiner vorherigen Partnerschaft, aus der auch meine Tochter entstanden ist.
Es war eine sehr komplizierte Partnerschaft. Warum ich sie immer als "kompliziert" empfunden habe, verstehe ich erst jetzt.
Die Partnerschaft begann noch im Teenager-Alter. Wir waren in den Augen meiner Familie und Freunde "das perfekte Paar". Und dann geschah eines nachts etwas seltsames, was ich nie einzuordnen wusste und wagte. Ich wachte eines nachts auf und mein damaliger Freund war an mir zu gange. Ich lag auf der Seite, ihm mit dem Rücken zu gewandt. Ich war geschockt - empfand große Scham, Ekel und auch Wut. Als er fertig war, drehte er sich wieder weg und schlief ein. Ich ging duschen und weinte viel, ekelte mich wahnsinnig. Es war in den frühen Morgenstunden und nach dem Duschen verließ ich ersteinmal das Haus (mein Haus...) und trieb mich herum, dachte nach. Ich kam dann zu dem Gedanken, dass ich wahrscheinlich überreagierte. Ich hatte kein Recht, mich so zu fühlen und ihn dafür zu hassen. Schließlich waren wir ein Paar, das perfekte Paar, alle liebten ihn, meinen Freund. Ich doch auch? Und in einer Partnerschaft hat man nun einmal Sex. Das war doch völlig normal. Gleichzeitig warnte mich eine Stimme in mir, die mir sagte, dass das Unrecht war, was passiert war. Doch diese Stimme verdrängte ich schnell und beschloss trotzdem noch an diesem Morgen, mich einfach zu trennen.
Tja, das versuchte ich dann anschließend über mehrere Jahre. Aber tatsächlich lösen konnte ich mich lang nicht. Er setzte mich unter Druck, manipulierte mich und mein Umfeld: Meine Familie und meine Freunde. Wie genau er das geschafft hat, kann ich beim besten Willen nicht erklären. Jedenfalls behielt er mich bei sich, obwohl (und das wusste er) ich nicht wollte.
Sex war dann immer etwas, was ich tat, weil ich es irgendwie musste. Es war nichts, was ich tun wollte. Alles, was er machen wollte. wurde gemacht. Egal, ob ich mich dabei wohl fühlte oder nicht. Irgendwann empfand ich ausschließlich ekel.
Dann wurde ich schwanger - ungeplant, ein Riesen Schock. Die Trennung viel ihm dann leicht, die Beziehung hatte ein Ende und ich konnte wieder atmen - war trotz allem glücklich mit meiner Schwangerschaft.
Zum Ende der Schwangerschaft kam er auf mich zu und bot Unterstützung an, ich ließ es zu, ließ ihn sogar bei mir wohnen. Er versuchte nicht, mit mir zu schlafen.
Meine Tochter wurde geboren und ich kümmerte mich ab dem ersten Tag allein, mein Ex-Freund war keine Unterstützung, wie er versprochen hatte. 6 Wochen nach der Geburt sagte er mir, er wolle jetzt wieder. Ich sagte, ich wäre nicht bereit. Er bedrängte mich und irgendwann "willigte ich ein". Ich weinte dabei. Aus Trauer und vor Schmerzen, denn es tat unglaublich weh. Er ließ nicht ab.
Kurz darauf trennte ich mich entgültig.
Mein Problem gerade ist:
Ich bemerke es erst jetzt. Irgendwo habe ich es zwar immer gewusst, dass das Unrecht war, aber ich habe es immer verdrängt, bagatellisiert. Wir waren doch ein Paar! Ich habe ja nie nein gesagt. Habe sogar zugestimmt. Ich hätte ja stop sagen können, sicher hätte er dann aufgehört.
Ich habe auch Kontakt zwischen ihm und meiner Tochter zugelassen.
Jetzt erwischt mich das ganze irgendwie ganz kalt und ich weiß überhaupt nicht damit umzugehen. Ich will meinen Ex-Freund nie wieder sehen, würde am liebsten den Kontakt zwischen ihm, seiner gesamten Familie und meiner Tochter unterbinden, ich hasse ihn so sehr!
Wieso habe ich das alles zugelassen? Wie konnte ich nur? Meine Tochter trägt sogar seinen Namen. Ich gebe sie ständig in seine Hände, wissend, zu was er fähig ist. Damit meine ich vor allem seine Fähigkeit zur Manipulation, der psychische Druck, den er fähig ist auszuüben.
Ich fühle mich so schlecht, so schuldig.
Was kann ich tun?