von MessiasDerStille » Mi. 21.06.2017, 21:38
Und wieder sowas.
Es lief eigentlich ganz gut die letzten Monate / das letzte Jahr über, seit ein Bruder ausgezogen ist. Ich habe echt gelernt, die Klappe zu halten, wenn mir was nicht gefällt, weil ich weiß, dass ich sowieso nur vorgeworfen bekomme, dass ich an allem meckern würde und das dann immer in Diskussionen ausarten, die niemals geklärt werden, ich dann heulend in meinem Zimmer sitze, würde und niemand kommen würde, um nach mir zu sehen, sich zu entschuldigen oder mit mir darüber zu reden. Ich sag gar nichts mehr, nicht, wenn der Fernseher ausnahmsweise samstags und dazu noch jeden anderen Abend beim Essen läuft, dazu, dass meine Mutter ständig Sachen kocht, die mein Vater will und ich hasse oder nicht vertrage sogar, aber wenn ich Wünsche äußere, kann alles nicht gemacht werden, weil mein armer Vater das nicht mag oder meine arme Mutter was nicht verträgt. Ich sag gar nichts mehr, schon seit Monaten. Auch nicht mehr dazu, dass wenn meine Schwester zu Besuch ist, sie jeden einzelnen Tag das Essen bestimmen darf, teilweise noch geplante Gerichte über den Haufen geworfen werden, weil es ihr nicht passt, und ich währenddessen über Monate hinweg immer wieder drum betteln muss, dass es eine Sache gibt, die ich mag. Weil es einfach sinnlos ist und wahrscheinlich mehr Stress macht, als es einfach hinzunehmen.
Dann kam es letztes Wochenende so, dass mein Bruder zu Besuch war und während dem Essen meinte, dass der Fernseher doch gar nicht beim Essen an sein darf und meinte, dass mich das doch auch störe. Ich sagte dann einfach, wie es ist, dass ich einfach gelernt habe, die Klappe zu halten, weil es sowieso sinnlos ist, was zu sagen, weil meine Meinung anscheinend sowieso vollkommen unbedeutend ist und eh nix zu melden habe. Als Erzieherin, naja, und als Mensch, der sich nur ansatzweise reflektiert, mache ich mir an dieser Stelle Gedanken darüber, wenn jemand so etwas zu mir sagt, wie derjenige denn darauf kommt, so zu empfinden. Meine Mutter sagte dazu einfach gar nichts und mein Vater bestätigte es mit einem "Wie gut, dass du das endlich erkannt hast".
Ein paar Tage später ging es dann tatsächlich ums Essen, meine Mutter sagte irgendwas davon, was sie machen will, das würde ich zwar nicht mögen, aber sie macht es halt trotzdem. Und ich meinte dann, überrascht darüber, dass sie das überhaupt mal sagt oder nur ansatzweise anscheinend mitbekommen hat in all den Jahren, dass es ja sowieso egal sei, weil sie eh macht, was sie will,,und selbst wenn ich jetzt sagen würde, dass ich das nicht möchte, es sowieso nichts ändern würde, da sie mir ja eh kürzlich ziemlich unmissverständlich gesagt haben, dass ich und meine Meinung wertlos sind. Außer einem "Ach, wieso solltest du wertlos sein? Versteh ich net, wie du da drauf kommst" kam dann auch nichts mehr von meiner Mutter. Aber was soll ich sagen, die Aussage von meinem Vater und dieses Versteh-ich-net von meiner Mutter bestätigten wiedereinmal nur das, was ich eh schon wusste.
Naja, und dann eben. Ich kam ins Wohnzimmer und hab kurz mit meiner Mutter geredet und wollte mich dazu setzen. Es war nur ein Sessel frei, der ziemlich eingeengt zwischen zwei Ventilatoren (wir hatten eigentlich einen im Wohnzimmer, der neben dem Sessel steht, und dann haben wir noch einen neuen, der direkt hinter dem Sessel steht, so, dass man sich nicht da rein setzen kann, ohne befürchten zu müssen, dass der Ventilator die Haare frisst) und einer schweren Kiste mit Büchern davor. Also wollte ich den Sessel vor dem Ventilator wegziehen (der neue hinter dem Sessel war an, der andere nicht) und habe ihn dabei gegen den alten Ventilator geschoben, der dann in Schräglage geraten, aber nicht mal umgefallen ist. Ich hab mich natürlich erschreckt, war ja nicht meine Absicht, und hab den Ventilator sofort festgehalten und wieder aufgestellt (meine Mutter war gerade dabei, eine Frage zu beantworten, die ich gestellt hatte), da brüllt mein Vater los "Kannst du net ma aufpassen? Du siehst doch, dass der da steht! Des kann mer ja wohl ma en bissche vorsichtiger mache!", woraufhin natürlich nichts mehr von meiner Mutter zu verstehen war, was sie selbst anscheinend aber wenig gestört hat. Sie hat dann einfach weiter Fernsehn geguckt und meine Frage unbeantwortet gelassen, während ich dann zu meinem Vater meinte, dass er mich gefälligst nicht so anschreien soll, weil ich sowas mit Sicherheit nicht mit Absicht mache. Aber das kann man nicht hinnehmen, nein, man muss zurückbrüllen "Du kannst ja wohl auch ma aufpasse, was du machst. Du siehst doch, dass des Zeug da steht!" Daraufhin meinte ich, dass es wohl auch nicht gerade einfach ist, wenn da noch die Bücherkiste steht und da einfach kaum Platz ist. Dann fing er wieder an von wegen rausreden und Schuld bei den anderen suchen... und ich hab dann einfach laut drüber gesagt, dass ich mich eigentlich gerade unterhalten habe und gerne noch ne Antwort wollte. Meine Mutter hat dann mal wieder erst dumme Gegenfragen gestellt (ich wollte wissen, von welcher Marke der Spinat ist, den wir zum Essen hatten, weil ich im Moment Kalorien berechne), warum ich das wissen will... hatte ich ihr eigentlich schon alles erzählt, aber gut, ich meinte dann, sie soll doch einfach die Frage beantworten, wo sich mein Vater dann wieder eingemischt hat, und meine Mutter ist dann in die Küche, um nachzugucken, wo sie eingekauft hatte. Das war natürlich die Chance für meinen Vater, weiter zu motzen, wenn ich mich so aufführen würde, dann wirds doch wirklich Zeit, dass ich... und ich beendete den Satz dann mit (hab ich auch nicht zum ersten Mal gesagt) "Ja, liebend gerne, aber glaubt mir, ich werd garantiert nie wieder zurück zu euch kommen." Darüber hat mein Vater sich dann auch wieder aufgeregt, was ich für ne Scheiße labern würde, was das soll usw. Meine Mutter kam dann wieder dazu und meinte, ja, sie versteht das jetzt auch net, warum ich sowas sagen würde. Und ich meinte dann halt so, ja, natürlich verstehst du das nicht, du machst dir ja auch null Gedanken über dich selbst. Lustiger Weise hat sie geantwortet "Ja, mach ich ja auch net", weil sie anscheinend selbst so einen einfachen Satz nicht verstanden hat. Und sie meinte dann irgendwas, was das jetzt mir ihnen zu tun hätte, dass ich sowas sagen würde. Dass sie echt nicht versteht, warum ich immer so drauf wäre und immer so aufbrausend, oder wie sie es nannte, wäre. Und ich meinte dann, nein, du scheinst es nicht zu verstehen. Liegt bestimmt nur an mir, ich mein, es war ja vorher auch nix. Und sie meinte dann, "Nee, wars ja auch net. Ich hab nur eben drauße gehört, dass du gesagt hast, dass du uns net mehr besuche kommst" Und ich meinte dann halt noch ma, ja klar, war bestimmt alles, ich hab ja auch zuerst rum geschrien und du warst ja auch net dabei. Aber gut, dass es nur an mir alleine liegt.
Daraufhin meinte meine Mutter dann, "Ahja, deswegen frach ich dich ja, was los war. Ich kanns ja net wisse, wenn du nix sachst." Ich meinte dann nur, dass es Schwachsinn ist, mein Vater hat sich dann wieder eingemischt und ich bin raus gegangen.
Ich wundere mich zum einen stark darüber, dass meine Mutter tatsächlich auf primitivste Weise versucht, mit mir zu reden, was aber dadurch zunichte geht, dass sie überhaupt nichts wahrnimmt, was von ihnen selbst ausgeht, sie habe ja keine Ahnung, warum ich geschrien habe, nachdem ich angemotzt wurde, und dass sie die Fehler bei mir sucht, warum ich nicht so funktioniere, wie sie es gerne hätte, aber nicht, warum sie sich immer so scheiße aufführen. Ich bin 25. Ich bin nichts. Ich bring nichts zu Ende. Ich halt echt die Klappe, um dem Stress zu entgehen, aber dann ist es nicht nur das, was ich sage, sondern auch das, was ich tue. Wie ein kleines Kind, dem man sagt, lass das Glas auf dem Tisch stehen, sonst gehts kaputt. Das war ja wohl abzusehen, böses Kind, kriegst ein paar auf die Finger. Wie konntest dus auch nur wagen dir einfach den Sessel zu nehmen? Mein Vater hat früher immer schon gesagt "Mach die Augen zu, dann siehst du, was hier in dem Haus dir gehört".
Und das Erschreckendste ist, dass meine Mutter eben tatsächlich hier war, um zu fragen, ob alles okay ist. Nach über ner Stunde. Und wahrscheinlich auch nur aus dem Grund, weil sie wissen wollte, ob ich noch ausgehe oder nicht, was ich eigentlich vor hatte... aber das hat sich wohl erledigt. Aber als ich ihr nicht geantwortet habe, war sie auch genauso schnell wieder weg. Keine Ahnung, was sie dazu bewogen hat, eigentlich ist es ein positiver Ansatz, dass sie überhaupt fragt. Wenn sie dann nicht trotzdem die Schuld von sich weisen und auf mich schieben würde. Und wenn sie nicht so tun würde, als wäre von ihrer Seite her nie was passiert. Und wenn sie nicht zusehen würde, wie mein Vater mich wegen nichts anschreit und dann alles runter spielt. Und was am meisten weh tut: Ich kann mich sehr wohl daran erinnern, wie oft ich als Kind aus ähnlichen Gründen, meistens immer wiederkehrende Gründe, in meinem Zimmer bitterlich geweint habe, wie ich mir ernsthaft Gedanken darüber gemacht habe, wie es beenden könnte, ob ich mich beim Jugendamt melde oder mich gleich ganz umbringe, und nie jemand einen Streit geklärt hat, nie hinterfragt hat und nie jemand kam, um nach mir zu sehen. Und jetzt plötzlich, wo ich schon seit Jahren sehr genau sage, was mich stört, ohne dass es Streit gibt, und nichts davon ernst genommen wird. Und jetzt auf einmal kommt das so. Nur dass sie sich selbst immer noch nicht beteiligt fühlen. Und genau das tut weh, dass ich jahrelang, mein ganzes Leben lang, wollte, dass wir drüber reden, dass man das klären kann, dass sie einsehen, dass sie Fehler machen, dass sie verstehen, warum ich weinend in mein Zimmer gerannt bin und sauer war. Dass sie immerhin gefragt hat, ist ja ein guter Ansatz. Nur leider bringt er nicht viel, wenn man die Schuld bei einem allein sucht und die Realität nicht sieht.