Ich bin überzeugt ungepflegt. Ich habe mich seit mehr als vier Wochen nicht geduscht (wahrscheinlich ca. sechs Wochen) und in dieser Zeit durchgängig die gleichen Klamotten angehabt. In dieser Zeit hatte ich einmal Filzläuse, die ich durch Rasur meiner Haare (mit Damen-Einweg-Rasierer mit Aloe-Extrakt und Rasierschaum) im betroffenem Bereich sofort wieder losgeworden bin. (Ich weiß allerdings immer noch nicht, wie ich mich angesteckt hatte und war eigentlich der Ansicht, dass es sich um Kopf- bzw Körperläuse handelte).
In dieser Zeit habe ich gelernt, dass ich keiner gesundheitlichen Folgen ausgesetzt war, mit denen ich nicht umgehen konnte und weiter umgehen könnte. Viele Menschen reagierten zwar negativ und ich hatte ständig das Gefühl, als Zigeuner angesehen zu sehen, der bewusst ungepflegt durch die Straßen läuft, um sich finanzielle Vorteile zu verschaffen (mehr Mitleid bekommen, etc.). Aber wenn das wirklich mein Plan gewesen wäre, wäre ich sehr daran gescheitert, denn so gut wie jeder reagiert defensiv auf diese Erscheinung und würde mir nie wohlwollend gegenübertreten. So sind die Menschen nicht. Eher sind es die Obdachlosen und Armen, die eine gepflegte Erscheinung haben, denen besonders viel geholfen wird. Denn die Leute im Sozialbereich wissen alle Bescheid, dass es in Deutschland keine absolut Armen gibt und schätzen es, wenn die Bedürftigen ihnen ihre Arbeit so angenehm wie möglich machen, nämlich durch gepflegtes Auftreten.
Als Arbeitsloser hatte ich jedoch kaum Probleme, trotz der Kritik und des Misstrauens der Menschen, genügend Essen zu bekommen. Aber es ist immer diese Unsicherheit da, dass die Leute mir wegen meiner Ungepflegtheit Steine in den Weg legen würden.
Warum wasche ich mich dann nicht einfach, wenn ich dadurch jede Menge Probleme und Sorgen loswerden würde? Ich sagte mir immer wieder, dass ich die Kritik brauche, die mir meine Mitmenschen geben, um mich emotional von ihnen unabhängig zu machen. Und ich wollte mir beweisen, dass es wirklich nicht schlimm ist, anders als das, was meine Umgebung mir dauernd eintrichtern möchte. Und schließlich hatte ich einfach keine Lust und sah es als Zeitverschwendung, um mich vor der Konfrontation mit anderen Menschen zu drücken. Was noch? Ist das alles? Ich glaube schon.
Nun gibt es aber eine Reihe von Zielen, die ich wahrscheinlich alle erreichen könnte, wenn ich von meiner neurotischen Ungepflegtheit loskomme.
1) Ich kann vielleicht den freiwilligen Wehrdienst machen. 50% (Die Bundeswehr nimmt im Gegensatz zu früher anscheinend nicht alle Bewerber auf. Sie müssen ja schließlich das Gehalt bezahlen. Als Ungepflegter: ca. 10% Chance. Vielleicht Beides zu optimistisch.)
2) Ich könnte evtl. tatsächlich eine Therapie bei einem kassenzugelassenen REBT-Therapeuten eine Therapie machen. 80% Hier in Frankfurt gibt es anscheinend einen, im Gegensatz zu Hamburg! (Nach dem, was ich in den beiden Foren über Therapeuten gelesen habe, und auch nach meine eigenen Erfahrungen, sind Therapeuten auch nur normale Menschen und könnten Ungepflegtheit schon als Grund ansehen, mich nicht als Patienten anzunehmen. Als Ungepflegtem: ca. 30%. Wieder wahrscheinlich beide Abschätzungen zu optimistisch.)
3) Ich könnte eine stationäre Therapie machen. 90% (Als Ungepflegten lassen sie mich den anderen Patienten zuliebe evtl nicht rein. Als Ungepflegtem: 20%.)
ToDo-Liste
Sa 27.04.2013 (nachts)
- duschen (mit Unterhemd als Schwamm) DONE
- Gegenstände von Klamotten rausholen (!) DONE
- Jacke (+ Innenjacke) und Strumpfhose bei 30°C waschen. DONE
- Unterwäsche und Handtuch bei 60°C waschen DONE
- Rest bei 40°C waschen DONE
So 28.04.2013
- nichts (bzw. weiter planen, editieren, was ich geschafft habe)
Mo 29.04.2013
- Auszahlung ALG2 8-10 Uhr
- Termin mit REBT-Therapeuten ausmachen (Mo-Fr 9-12, MoDiDo 15-18)
- Termin mit Wehrdienstberatungsbüro Frankfurt am Main ausmachen
- Vollwaschmittel (Persil Universal Megaperls), Duschgel und Shampoo (balea med hautneutral) kaufen
Di 30.04.2013
- duschen (mit Unterhemd als Schwamm)
- Gegenstände von Klamotten rausholen (!)
- Unterwäsche und Handtuch bei 60°C waschen
- Rest bei 40°C waschen
zu 1) Ich möchte sehen, ob ich es dort aushalte (Expositionstherapie?), und der Gehalt ist ziemlich hoch für meine Verhältnisse.
zu 2) Ich stelle mir das evtl zu übertrieben positiv vor und der Therapeut wählt die gleichen Methoden wie alle anderen Therapeuten auch.
zu 3) Ich möchte Sozialkompetenz lernen. Bin aber nicht zu optimistisch. Ich möchte nur die Stimme loswerden, die mir ständig einzureden versucht, dass ich eine gute Gelegenheit verpasste, mir doch Sozialkompetenz beizubringen, und dass es doch nicht unmöglich ist. Nach dem Besuch werde ich es vielleicht ungefähr abschätzen können, wie hoch meine Chancen sind.
Edit2: Ein weiterer Grund, warum ich bisher neurotisch an meiner Ungepflegtheit festgehalten habe war, weil ich es zwar noch für möglich hielt, einmal zu duschen, aber dann nochmal regelmäßig weiter mich zu pflegen, Klamotten zu waschen, Duschgel und Vollwaschmittel zu kaufen, etc. war mir zu viel Arbeit, um die Akzeptanz von Leuten zu ergattern, die durch ihre Intoleranz zugegebenermaßen noch schlechter verhalten als ich es schon tue. Aber ihr schlechtes Verhalten macht sie nicht zu schlechteren und/oder geringeren Menschen. Und außerdem haben die psychischen Probleme von anderen Menschen wenig mit mir zu tun. Ich brauche nur dafür zu sorgen, dass ich mich möglichst pragmatisch für mich selbst verhalte. Auch wenn das bedeutet Neurotiker zu schmeicheln.
Edit8: Ich werde Montag meinen Sozialarbeiter fragen, wie viel Pflege nötig ist, um bei Ärzten und Personalern keine Probleme zu bekommen. Da ich sehr langsam bin, brauche ich mindestens vier Stunden, um zu duschen und meine Klamotten zu waschen (habe nur ca. 2 Sets). In dieser Zeit ist das gemeinsame Badezimmer (pro 10-Zimmer-Etage) für ca. 90 Minuten und eine Waschmaschine (nur zwei im ganzen Wohnheim (!), nachts evtl nur eine (!!)) für ca. 120 Minuten besetzt. Das kann ich also nur nach Mitternacht tun, wenn alle anderen schon schlafen (oder zumindest wahrscheinlich schon fertig sind). Ich kann also schlimmstenfalls davon ausgehen, dass ich an Pflegetagen erst um ca. fünf Uhr morgens schlafen gehen kann. Ich hoffe, er sagt mir, dass etwa alle drei Tage ausreichen. Das werde ich vorerst als mein Ziel ansehen.
Ich kaufe mir Montag am Besten noch mehr Shampoos, Duschgel und Vollwaschmittel im Voraus (höchstens 20€ / Monat). Außerdem gehe ich am Besten davon aus, dass meine Klamotten recht schnell kaputt gehen werden und ich womöglich einige Zeit (mind. sechs Wochen) mit diesen kaputten Klamotten rumlaufen werde, um zu sehen, ob die Leute es als wichtiger erachten, dass man gepflegt ist oder dass man auch heile Klamotten an hat. Das frage ich meinen Sozialarbeiter am Besten auch irgendwann.
Edit9: Der nächste Pflegetermin ist Dienstag 30.04.2013 nachts. Ich hoffe, ich kann mich dazu motivieren. Leider kann ich vor Dienstag nichts tun, um mich vorzubereiten und damit die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass ich das auch durchziehe.