Du überlegst doch nun schon eine ganze Weile, was du tun sollst. Glaubst du wirklich, dass mehr Zeit die Entscheidung irgendwie einfacher machen würde?
Weißt du, ich kann dich wirklich sehr gut verstehen. Ich hasse es auch, so wichtige Entscheidungen treffen zu müssen, und versuche es zu vermeiden, so gut ich kann. Denn irgendwas ist an jeder Alternative doof und hinter keiner kann ich zu 100% stehen. Aber das ändert leider nichts daran, dass diese Entscheidungen getroffen werden müssen. Es ist nur so, dass ich mich umso mehr quäle, je mehr Zeit ich habe, eine Entscheidung zu treffen. Und ich fürchte, das wäre bei dir auch der Fall.
So wie ich das sehe, hast du folgende Möglichkeiten:
a) So weitermachen wie bisher, nicht zur Schule gehen, dich verkriechen.
Folge -> Du fliegst von der Schule und deine Eltern müssen eine Strafe zahlen. Dann stehst du da mit einem Schulabbruch und dem Groll deiner Eltern und musst schauen, wie es damit weitergehen soll - was sich wiederum mit dem Verkriechen beißt, denn das funktioniert dann nicht mehr.
(Die Strafe ist übrigens nicht direkt deine Schuld, denn wenn es deine wäre, müsstest du die Strafe zahlen. Es ist aber so, dass deine Eltern dafür verantwortlich sind, dass du zur Schule gehst. Und wenn sie es nicht schaffen, dich da hinzukriegen, müssen sie schauen, wo das Problem liegt und dafür sorgen, dass es gelöst wird - und dass vor allem alles mit der Schule geklärt wird. Dafür sind sie deine Eltern. Das haben sie aber offensichtlich nicht getan, deswegen die Strafe.)
b) Du gehst noch mal zu deinem Therapeuten und fragst ihn, was er dir raten würde, und probierst das aus.
Folge -> Diese Alternative erfordert ein gewisses Maß an Kraft und Mut, um an den Punkt zu kommen, an dem du dich erstmal nur noch um dich kümmern musst. Es würde wahrscheinlich auf einen stationären Klinikaufenthalt von ca. 3 Monaten hinauslaufen, in dem du psychisch stabilisiert, nebenbei dort unterrichtet wirst, soweit du das leisten kannst und zusammen mit dir ein Plan ausgearbeitet wird, wie es nach der Klinik weitergehen soll. Inwiefern sich das Problem mit der Schule noch abwenden lässt, kann ich dir leider nicht sagen. Um ein Gespräch mit dem Koordinator würdest du wohl nicht herumkommen.
c) Du gehst wieder zur Schule.
Folge -> Erfordert meiner Meinung nach noch mehr Kraft und Mut als Variante b). Schwer abzuschätzen, was dieser Weg für Folgen hätte, aber ich denke nicht, dass das lange gut gehen würde. Und dann landest du wieder bei Variante a) oder b).
Jede Variante hat ihren Preis. Und es gibt keinen leichten Weg. Deine Situation ist richtig mies und jeder Weg da raus ist es erstmal ebenfalls. Wenn du mich fragst, dann bleibt der Weg bei Variante a) für eine sehr lange Zeit mies, denn mit einem Schulabbruch im Lebenslauf UND psychischen Problemen ist es schwieriger, einen Ausbildungsplatz zu finden und die Ausbildung durchzuhalten. Bei Variante b) besteht eine realistische Chance, dass der Weg irgendwann leichter und schöner wird, denn auf diesem Weg löst du die Probleme, die dich hemmen und ausbremsen; du kümmerst dich um die Ursachen und nicht um die Auswirkungen. Und den Weg von Variante c) halte ich für einen miesen Rundgang, der dich früher oder später wieder an die Gabelung "a) oder b)?" führen wird.
Ich wünsche dir ganz viel Kraft, um eine Entscheidung zu treffen und die Konsequenzen zu tagen.