Hallo zusammen,
ich weiß nicht, ob ich im richtigen Bereich bin, aber ich wusste nicht, wo ich es sonst reinpacken soll.
Der Text könnte durchaus lang werden und ich danke schon mal allen, die sich die Mühe machen, ihn zu lesen.
Und nun zu der Frage, wo ich anfangen soll. Ich versuche, alles so übersichtlich wie möglich zu verfassen.
Als ich ein Kind war bemerkte ich schon das ich anders, oder, wie es Menschen um mich rum nannten, "komisch" bin. Habe zwar viel mit Freundinnen gespielt, aber ich hatte oft keine Lust darauf und spielte lieber alleine in selbst erdachten Welten oder mit meinen Spielsachen. Ich war schüchtern und fühlte mich in meiner Haut nicht wohl, hatte kein Rückgrat und fühlte mich von allen beobachtet. Als ich 10 war, erfand ich ein Mädchen mitsamt komplexer Welt, und ich fühlte mich dort so wohl wie nie zuvor. Zuerst war es eher eine Spielerei, das heute eher schon ein fester Teil von mir selbst ist. Dazu aber später mehr.
In der Pubertät und den sechs Jahren an der Realschule ging es mir immer schlechter; pessimistisch, traurig, miese Laune. Das konnten auch viele meiner Freundinnen nicht verstehen und haben mich blöd angemacht von wegen "jetzt sei mal nicht so, stell dich nicht so an".
Als ich nach dem Realabschluss, aus Mangel von Ideen, was ich für eine Ausbildung machen könnte, widerwillig aufs Gymnasium ging, kam der Tiefpunkt. Einen Tag war ich dort, dann wurde ich nach zwei weiteren Tagen, die ich aus Schulangst geschwänzt hatte, krank geschrieben. Knapp zwei Monate später hatte ich einen Platz in einer Tagesklinik. Dort wurde die Diagnose:
Mittelschwere Depression und Soziale Phobie
gestellt. Wurde auf Fluoxetin eingestellt, wodurch ich eine bis heute anhaltende Trichotillomanie entwickelte. (Es kann nur von dem Medikament gekommen sein, anders kann ich es mir nicht erklären.)
Zwei Monate später wurde ich entlassen, durfte aber die Schule, die zur KJP und TK gehörte, bis Ende Januar besuchen. Dort ging ich sogar gerne hin, weil es ja erstens kein richtig anspruchsvoller Unterricht war und zweitens, weil ich mich dort nicht allzu "anders" fühlte.
Kurz darauf bekam ich einen Betreuer und einen Sozialarbeiter an die Seite gestellt, ab und zu HPG's mit einer Beamten vom Jugendamt. Das war auch die einzige Beschäftigung, die ich in diesem Jahr hatte. Die darauffolgenden 3 Jahre (bis Mitte diesen Jahres) machte ich diverse Praktika in Buchhandlungen.
Bis heute habe ich fünf verschiede Antidepressiva durch, bin jetzt (mit einer Absetzung von einem halben Jahr) seit knapp zwei Jahren auf Venlafaxin 150mg. Seit September gehe ich drei mal die Woche (ab nächstem Jahr fünf mal) in die Büro Arbeitstherapie und finde es ganz gut da.
Nun aber zu dem, was mich seit Monaten beschäftigt. (Danke schon mal an die, die bis hierhin gelesen haben.)
Ich fühle mich seit langem nicht mehr als depressiv. Ich habe keine der typischen Symptome wie Niedergeschlagenheit, Interessenverlust, Freudlosigkeit oder verminderter Antrieb. Ich denke schon lange nicht mehr, das ich nichts kann und keinen Sinn im Leben sehe. Keine innere Leere.
Vielleicht sollte ich jetzt auf das oben angeschnittene Thema kommen. Die Traum/Fantasiewelt, die ich mir vor zehn Jahren erdacht habe, die anfangs nur ein Spiel für ein junges Kind war. Es ist nicht wie in einem Buch oder einem Film. Es ist wie ein .. anderes Ich? Die letzten Jahre ist es so, das ich jeden Tag an das Mädchen, das irgendwie ich, irgendwie aber auch nicht ich ist, denke, und irgendwie sind wir .. verschmolzen? Oh man, es ist echt schwer das zu erklären und es halbwegs verständlich rüber zu bringen.
Es ist wie mein zweites Leben. Und ehrlich gesagt auch das, was ich diesem realen vorziehe.
Es ist keine Fantasie Welt a la Mittelerde oder Narnia, das Mädchen lebt in England, Zeit und Alter sind gleich. Es ist auch nicht so, dass ich nur Abends oder wenn ich auf dem Sofa liege in diese Welt abtauche, sie ist allgegenwärtig. Wie ein anderes Ich von mir, das über die Jahre Form und Farbe angenommen hat und ich liebe diese Welt, da sie für mich schon beinahe wie eine zweite Realität ist.
Auch Ich habe mich über die letzten Monate sehr verändert und habe wohl Charaktereigenschaften angenommen, die andere als.. nunja .. nicht "normal" ansehen. Ich werde mal die nennen, die meine Mutter/Arbeitstherapie/ich selbst bemerkt haben, für einen kleinen Überblick
--> Ich empfinde absolut kein Mitleid/Mitgefühl mehr für Menschen. Und ich kann es nicht mal erklären. Es ist einfach so, wenn ich über Tote in den Nachrichten höre, über traurige Meldungen, die Menschen die Tränen in die Augen treiben: ich fühle nichts bis auf Gleichgültigkeit. Da regt sich einfach nichts in mir. Das merkwürdige ist nur, dass ich bei Filmen/Serien, die animiert oder gezeichnet sind, sprich, keine echten Menschen drin mitspielen, doch ein wenig mitfühle. Sonst bin ich wie ein Stein.
--> Ich kann es auf den Tod nicht ausstehen, wenn man mich anfasst. Selbst eine Umarmung meiner Mutter lehne ich ab. Ich mag es einfach nicht, jemanden zu berühren oder berührt zu werden. Vor ein paar Jahren war das noch nicht so.
--> Ich mag weder Lob noch Komplimente. Am liebsten ist es mir, wenn ich gar nicht auffalle, manchmal wünsche ich mir schon, mit meiner Umgebung zu verschmelzen.
--> Ich bin unglaublich misstrauisch. Es gibt keinen Menschen, dem ich wirklich so viel vertraue, das ich ihm von meiner Traumwelt oder anderen Gedanken und (nicht vorhandenen) Gefühlen erzähle. Ich sehe in jedem anfangs einen Feind, deshalb habe ich mich auch entschlossen, ein wenig anonym von mir zu erzählen.
--> Ich habe seit geraumer Zeit absolut kein Interesse mehr an Freunden/Bekannten und wünsche mir auch keine. Zum einen würde ich sagen, dass ich durch meine Traumwelt schon Freunde habe, die so realistisch für mich sind wie echte und schon "genug" mit ihnen zu tun habe, zum anderen weil ich einfach so gerne allein bin und mich wunderbar selbst beschäftigen kann. Außerdem fühle ich mich irgendwann, bei Freunden oder der Familie, so einsam, dass ich unglücklich werde und wieder zurück in meine Welt will, sei es nun meine Traumwelt oder einfach ich allein, mit einem Buch oder einer spannenden Serie. Vielleicht auch, weil ich, wenn ich alleine bin, so sein kann wie ich bin.
--> Beziehungen und Liebe sind für mich kein Thema. Ich habe einige Erfahrungen gemacht, auch sexuelle, aber nichts, was ich fürs Leben brauche. Meinem Exfreund, mit dem ich 11 Monate zusammen war, habe ich ein paar Wochen hinterhergeweint, da ich emotional ziemlich abhängig von ihm war, aber das hat sich von einem auf den anderen Tag gelegt, als ich mir klarmachte, dass ich ihn nicht brauche, da er mich auch nicht braucht. Dass das Leben weitergeht.
Sex finde ich, ehrlich gesagt, auch eher abstoßend und unnötig. Ich habe nie etwas gespürt, es war unangenehm und tat nach mehreren Minuten auch ziemlich weh. Sehnsucht nach Partnerschaft habe ich nicht, auch hege ich überhaupt kein Interesse mehr für irgendetwas in diese Richtung. Ich denke, der schönste und charakterlich tollste Typ könnte kommen und ich hätte einfach kein Interesse.
--> Mir wurde öfters gesagt, dass etwas, was ich gesagt habe, unfreundlich und taktlos war, obwohl ich es selber nie so sehe oder es meine Absicht ist. Ich spreche meine Meinung aus und bin auch eher der exzentrische Typ. Zudem kann ich mich nicht so recht in die bestehende Gesellschaft einfügen, fühle mich wie ein einzelner Fisch, der gegen den Strom schwimmt.
--> Was mir seit einiger Zeit auffällt ist, das ich mal als "Ich" rede und dann wieder als das Mädchen aus meiner Traumwelt. Meinem anderen "Ich", wenn man es so nennen darf. Das kommt dann wohl manchmal recht merkwürdig rüber, wenn ich erst nett und dann kühl und distanziert bin.
--> Es gibt Sachen/Menschen, die mich unglaublich nerven oder wütend machen. Beispielsweise Kinder jeglichen Alters (an alle, die selber Kinder haben oder mögen, bitte nehmt es nicht persönlich). Ich bekomme teilweise solche Aggressionen, wenn so manche durch die Gegend schreien oder frech und einfach nervig sind. Genauso Menschen, die Mitten im Weg stehen bleiben, um auf ihr Handy zu glotzen. Genau, verursach' doch noch mehr Stau.
--> Mir ist es ziemlich egal, was andere über mich denken. Man kann es nicht jedem Recht machen und ich will mich nicht mehr verbiegen, um jemand zu sein, der ich einfach nicht bin. Das habe ich in der Schule oftmals erfolglos versucht.
--> Mir fällt es sehr schwer, jemandem zu sagen, dass ich ihn gernhabe. Selbst bei meiner Mutter oder Freunden fällt es mir schwer, so etwas zu sagen..
Um nochmal kurz anzumerken, das sind alles "Eigenschaften" die sich in den letzten Monaten entwickelt haben, wovon ich einige selber gemerkt habe, andere von Familie oder den Menschen aus der Arbeitstherapie. Ich bin auch gar nicht mehr schüchtern oder bekomme Panik/Angst bei Menschen(mengen), deshalb denke ich, das eine soziale Phobie eher nicht zutrifft.. oder?
Ist das noch normal? Sind dass überhaupt Symptome einer Depression oder Eigenschaften eines Depressiven und gibt es hier vielleicht jemanden, dem es ähnlich geht? Oder sind das einfache, charakterliche Macken und Züge, die normal sind und zu einem dissozialen Menschen gehören? Denn depressiv würde ich mich selber nicht (mehr) nennen.. aber was dann? Bin ich einfach ein merkwürdiger Mensch, der eigentlich gesund ist? Ich weiß echt nicht mehr weiter, weiß nicht, was ich von mir selber denken soll..
Im Allgemeinen kann man sagen, das ich ein glücklicher Einzelgänger bin, solange ich eben alleine bin. Mit Menschen weiß ich nicht so recht umzugehen, es ist keine Angst oder ähnliches, es fühlt sich für mich so an, als würde ich mit einem Menschen auf einer anderen Sprache sprechen oder mit einem Tier. Nur wie soll ich so jemals eine Ausbildung o.Ä. machen, wenn ich einfach nicht gut mit anderen umgehen kann? Selbst meine Familie (Mutter, Vater, Schwester) brauche ich nicht in meiner Nähe, wenn ich meine Mutter einmal die Woche sehe reicht mir das vollkommen. Mit meiner Schwester schreibe ich ab und zu und mit meinem Vater hatte ich nie eine gute Verbindung. Die Freundinnen die ich habe, sind drei bzw. sieben Stunden mit dem Zug entfernt und mir recht es auch bei ihnen völlig, wenn ich ab und zu mit ihnen schreibe oder mich einmal alle paar Monate treffe. Ist das schon eine Persönlichkeitsstörung?
Ich weiß, dass ich hier keine psychiatrische Diagnose bekommen kann, aber vielleicht hat ja der ein oder andere eine Idee? Ich wäre wirklich dankbar.
Ich hoffe, ich habe euch nicht in einen komatösen Schlaf mit diesem Roman befördert und das ihr mich nicht allzu unsympathisch findet, denn ich hoffe wirklich, jemand kennt so etwas ähnlichen auch bei sich.
Bin offen für eure ehrlichen Meinungen und gegebenenfalls auch Tipps.
Danke für eure Zeit
Qirinto