mal was anderes
Farben als Spiegel der Seele
Auf einmal wurde mir alles klar. Noch nie habe ich Dinge so gesehen wie jetzt. Ich bekomme dennoch Gänsehaut wenn ich daran denke, was ich für diese Weisheit bezahlen musste. Auf einmal kommen Verwandte an, die ich nicht kenne und neunundneunzig Prozent will ich gar nicht kennen. Vorher war ich ihnen doch auch egal, aber auf einmal. Keine Ahnung, ich kann jedem der kontaktarm ist, nur raten sich die Pulsadern aufzuschneiden, wie ich.
Leute kommen und gehen, manche bringen Blumen mit. Die Schwestern hier im Krankenhaus sind alle recht nett. Die eine ist total scharf, ich hoffe sie bemerkt nicht das ich immer nur in ihren Ausschnitt glotze oder auf ihren Arsch, wenn sie geht. Aber hey, was soll ich machen? Ich bin auch nur ein Mann. Aber nun sehe ich Dinge anders. Damals vor meinem Unfall, hätte ich mir jeden Tag einen runtergeholt, wegen der heißen Schwester, aber nun ist das für mich unvorstellbar. Warum? Ich weiß es nicht! Ich muss mir erstmal einen klaren Kopf verschaffen und dann versuchen meine Gedanken zu ordnen. Ich habe mir die Pulsadern aufgeschnitten, tja viele haben mich gefragt warum. Nein das war gelogen ... alle haben mich gefragt warum. Dabei konnte ich ihnen keine genaue Antwort geben. Hätte ich ihnen den Grund gesagt hätten sie mich gleich verlegt. Ab ins Wunderland, deine Einzelzelle ist gleich neben der von Schneewittchen und Rumpelstilzchen. Nein danke. Ich bin nicht so eine Null- acht -fünfzehn- Nummer, zumindest bilde ich mir das ein. Trotzdem muss ich zu so einer komisch Therapie. Was mir das bringen soll, weiß ich nicht aber ich habe mich dazu bereit erklärt.
Innerlich sehne ich mich nach diesem Schmerz. Den Schmerz, den ich empfunden habe, kurz nachdem ich die Rasierklinge in meine Haut gestochen habe. Dieses Gefühl, es war kein richtiges Gefühl, glaube ich; ich habe mich leer gefühlt. Ich hatte das Gefühl, das mir etwas verloren gegangen ist. Dann wurde es kalt. Kalt und leer, neben Goldlöckchen und Papa Bär. Es tut mir leid aber das konnte ich mir nicht verkneifen, da ich im Hinterkopf immer noch die Einzelzelle habe. Mir war nicht kalt, wie einem sonst kalt ist. Ohne Gänsehaut und dem ganzen Zeug, mir war innerlich kalt. Ich war leer. Ich wusste nicht was, aber irgendwas ist hoch geschreckt und geflüchtet nachdem ich mich geritzt hatte. War es meine Lebensenergie? Ich konnte nicht nachempfinden woher die Leere kam, das Einzige was ich fühlen und hören konnte war mein Herzschlag. Warmes Blut. So warm auf meiner Äußeren Schicht, die die anderen Menschen als Haut bezeichnen; so kalt im Inneren. Das Gefühl der Leere wurde auf einmal geringer. Ich habe mich gefragt warum? Denn das Gefühl der Leere war nicht so schlecht wie es sich anhören mag. Es hatte auch was Gutes an sich, eine Art Genugtuung. Ich kann es nicht beschreiben aber ich fühlte mich geborgen. Dann war ich nicht mehr bei mir. Ich will damit nicht sagen, dass ich Ohnmächtig geworden bin. Wahrscheinlich war ich zudem Zeitpunkt schon tot und irgendwelche Ärzte versuchten mich wieder zu beleben. Aber ich sah ein rotes Licht. Nicht wie alle Leute behaupten: "Ich bin durch einen Tunnel geflogen und dann war da das Licht und im Hintergrund hat meine Oma Polka getanzt mit meinem Onkel. Das Licht war ganz warm und blablabla, auf einmal kam mein Hamster ins Licht und quietschte mir zu ich soll mich gleiten lassen blablabla." Alles nur Gelaber. Rotes Licht hat mich umgeben.
Ich bin quasi im roten Licht dahin geschwebt. Ich war in einem Raum oder so, nicht in einem Tunnel. Ich hatte keine Orientierung; der Raum war groß. An den Wänden überall Sprüche. Beim näheren Hinsehen fiel mir auf, dass es sich um meine Sprüche handelt. Als sei alles was ich je gesagt habe in meinem Leben an diese Wand geschrieben wurden. Dann musste ich lachen. Ich kam an meiner "Comedy" Wand vorbei.
Dort las ich längst vergessene Sprüche wie: "Ich sitze hier, gleich geht es los, mein Arsch ist voll mit Taco-Soß'". Nachdem ich gelacht hatte, sah ich zum ersten Mal an mir herunter. Ich war das rote Licht. Ich war das rote Licht. Ja, noch einmal: Ich war das rote Licht. Aha, dachte ich mir, nun ja, man ist schließlich nicht jeden Tag ein rotes Licht. Sofort musste ich wieder lachen, wegen Sachen wie: Rotlicht- Viertel. Mein Gott, war der Tod ein lustiger Geselle. Dann mit einem Schlag Stimmen.
Oh mein Gott, sollte ich wirklich noch meine Vorfahren, tote Haustiere und so weiter antreffen? Ich betete, dass es nicht so ist. Die Stimmen kamen mir bekannt vor. Zumindest eine oder zwei. Nach längerem Grübeln fiel mir auf das es Stimmen waren, die lebenden Personen gehören. Dann wurden sie lauter und lauter und lauter und dann war es wieder still. Aber ich war nicht mehr der rote Nebel. Ich war nicht mehr leer. Mir war nicht mehr kalt. Am liebsten hätte ich angefangen zu schreien. Wer auch immer mich aus dem Raum geholt hat, soll dafür büßen.
Dann bin ich aufgewacht. Meine Mutter stand da, mein Vater, komische andere Leute, Ärzte und die heiße Schwester. Aha, na ja, dann war ich halt doch noch am Leben. Alle machten besorgte Gesichter. Meine Mutter weinte. Ich musste grinsen. Ich erinnerte mich an das rote Licht, an den Raum, an die Sprüche. Es hat so einen Spaß gemacht. Dann fiel mir etwas auf. Meine Mutter hatte grüne Augen. Nein nicht dir Iris; das was normaler Weise weiß in einem Auge ist, war bei ihr grün. Mein Vater war gelb. Der Arzt war grau. Die Schwester pink. Ich habe sie alle nach ihren Lieblingsfarben gefragt; sie stimmten alle überein. Meine Lieblingsfarbe ist rot.
Manche Leute haben auch schwarze Augen. Einer der Pfleger hat gestreifte Augen, blau-gelb. Immer wenn ich ihn sehe muss ich lachen. Wahrscheinlich hasst er mich deswegen, aber das ist mir egal. Der wahre Grund warum ich mir die Pulsadern aufschnitt, war meine Neugier. Ich wollte nicht sterben. Das war nie meine Absicht. Aber nun sehe ich Leute und Tiere (ja auch Tiere) mit anderen Augen. Sie alle haben eine andere Aura. Ich habe mir ein Buch über Farbenlehre mitbringen lassen. Es macht Spaß, Leute anhand ihrer Augen zu beurteilen. Kinder sind besonders lustig. Kleine Mädchen mit Regenbögen in den Augen, oder Jungs mit den Farben ihres Lieblings Fußball Vereins.
Ich denke ich werde selber ein Buch schreiben. Es soll den Titel "Farben als Spiegel der Seele" tragen. Denn wenn ich eins aus meiner Reise gelernt habe, dann das:
Wenn wir sterben lösen wir uns in das auf, was wir am meisten begehren.
von: ShadowBird
Zuletzt geändert von Lingenia am Sa. 19.11.2005, 16:46, insgesamt 1-mal geändert.