nachdem ich bei meinen ersten Thread die Erfahrung gesammelt habe, dass es mir hilft, auch andere Meinungen zu hören, um wenigstens herauszufinden, was ich tatsächlich denke/fühle, hoffe ich, dass mir erneut geholfen werden kann.

Meine Eltern sind mir alles andere als eine Stütze und ich kämpfe mit mir, wie ich das „ertragen“ kann, ohne sie dafür zu verabscheuen.
Ich erhoffe mir Ratschläge oder einfach nur offene Ohren, um mir meinen Kummer mal „von der Seele“ reden zu können.
Im Verlauf des Textes werde ich nicht umhin kommen, Teile meiner Vergangenheit zu erklären. Ich bin mir bewusst, dass diese belastend sein können und bitte jeden, auf seine eigene Belastungsgrenze zu achten.
Ich bemühe mich, Dinge zu umschreiben oder mit entsprechenden Sternchen zu entkräftigen, dennoch bleibt die Gefahr, dass es triggern könnte, bestehen.
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Vorweg:
Ich litt bis vor wenigen Monaten an einer dissoziativen Amnesie, daher war es mir nicht möglich, mich an den s**uellen M*ssbrauch als solchen bewusst erinnern zu können.
Während eines psychiatrischen Klinikaufenthalts im Frühjahr, der zur Behandlung einer Depression gedacht war, kam es zu einem Schlüsselreiz, der Erinnerungen daran hervorbrachte.
Mir war bis dahin nicht bewusst, dass das, was mir passiert ist, unter s**uellen M*ssbrauch fällt - in der Vergangenheit hatte ich „immer mal wieder“ Flashbacks, die allerdings für mich schlicht verstörend, zusammenhangslos und verdrängungswürdig waren. Eine vollständige Erinnerung war mir erst in und nach der Klinik möglich, obgleich die Erlebnisse auch jetzt nicht zu 100 % rekonstruierbar sind. Eine Verarbeitung des Erlebten war in der Klinik nicht möglich.
Diagnostiziert wurde im Laufe des Klinikaufenthalts eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung (Typ Borderline) und eine schwere depressive Episode. Die Persönlichkeitsstörung wurde allerdings bereits in der Jugend durch einen Therapeuten festgestellt, war mir also bereits bekannt.
Ich wurde im Alter zwischen 9 und 11 Jahren von meinem Bruder s**uell m*ssbraucht, er ist 4 Jahre älter als ich.
Sowohl meine Schwester als auch meine Mutter haben unabhängig voneinander davon mindestens einmal mitbekommen, haben allerdings beide in der Vergangenheit nicht eingegriffen.
Während des Aufenthalts in der Psychiatrie war ich bemüht, „Licht ins Dunkle“ zu bringen. Um mir das Erinnern zu erleichtern und „scheinbar Zusammenhangloses“ besser ordnen zu können, bat ich meine Schwester oft um Informationen, die sie teilweise nur sehr widerwillig oder gar nicht preisgab.
Details erspare ich euch und mir, sie sind nicht relevant.
Mein Problem ist nun folgendes:
Bereits während der Klinik habe ich das Erlebte aufgeschrieben und es auf meinen Tagebuch-ähnlichem Blog veröffentlicht (wobei zum Lesen ein Passwort erforderlich war) - während des Klinikaufenthalts habe ich meinem Vater das Passwort gegeben.
Ihn traf die M*ssbrauchserfahrung schwer, er hatte keine Ahnung davon. Auch meine Mutter wurde nach Absprache mit mir „eingeweiht“.
Der anfängliche Schock saß verständlicherweise schwer und löste sicherlich auch eine Krise aus.
Meine Mutter zweifelte sofort an dem Wahrheitsgehalt der geschilderten Ereignisse. Weder der Umfang noch die Unfreiwilligkeit schien ihr der Realität zu entsprechen.
Für mich war allein dieses Misstrauen ein sehr schwerer Schlag, den ich bis heute nicht „überwinden“ konnte.
Auch mein Vater, der zunächst keinerlei Zweifel geäußert hatte, bezichtigte mich des Lügens.
Trotz meiner Bitte, den T*ter nicht auf die Erlebnisse anzusprechen, haben sie ihn mit meinen „Anschuldigungen“ konfrontiert.
Mein Bruder stritt zunächst alles ab, später nur noch die Intensität.
Sein Abstreiten untermauerten die Zweifel meiner Eltern.
Ich hatte kurzzeitig den Kontakt zu ihnen abgebrochen, weil für mich diese Unterstellungen zu schmerzhaft waren.
Inzwischen bemühe ich mich, den Kontakt nicht erneut abzubrechen, da meine Tochter ein sehr inniges Verhältnis zu ihren Großeltern hat.
Inzwischen behaupten sie zwar, nicht länger an den Erlebnissen zu zweifeln, dennoch bleibt bei mir ein großes Vertrauensproblem.
Auch bin ich enttäuscht, dass sie mir keinerlei Hilfe bieten. Sie tun geradezu so, als hätte ich den M*ssbrauch nicht offengelegt. Sie spielen „heitere Welt“, begründet damit, dass es so für alle das Beste ist.
Ich bin wütend, wirklich richtig wütend. Mich in meinem Elternhaus wohlzufühlen, ist nicht mehr möglich.
Nicht nur, weil ich dort ständig mit Erinnerungen konfrontiert werde, sondern weil mir die Fotos, die „heile Welt“, das gedankenlose „in schönen Erinnerungen schwelgen“ usw. jedes Mal erneut weh tun.
Meinen Eltern kann ich nicht vertrauen, obwohl ich mir gleichzeitig nichts sehnlicher wünsche, als ihre Unterstützung.
Ich habe den Kontakt zum T*ter abgebrochen (mit deutlicher Befürwortung sämtlicher Ärzte und Therapeuten), ihrer Meinung nach sollten sich mein Bruder und ich jedoch einfach zusammensetzen und die „Missverständnisse“ aus der Welt schaffen.
Sie wünschen sich, dass irgendwann wieder alle Kinder (mit ihren Kindern) fröhlich am Tisch sitzen, als hätten sie nicht begriffen, dass das für mich UNMÖGLICH ist.
Ich bin sozusagen das „Problem“ - ich fühle mich schuldig, die Familie „zerstört“ zu haben und sie widerlegen diese Angst auch nicht.
Ich schwanke immer wieder und weiß gar nicht, welche Art von Unterstützung ich erwarte, einfordern kann und brauche.
Manchmal kocht in mir die Wut so enorm hoch, dass ER keine Konsequenzen davon getragen hat. Er ist nach wie vor das „Lieblingskind“ - gern gesehen, hoch geschätzt.
Aus Rücksicht auf meine Familie verzichte ich auf eine rechtliche Konsequenz. Aber ich bin so fassungslos, dass nicht einmal eine „richtige“ emotionale Konsequenz folgt.
Sie distanzieren sich nicht, im Gegenteil. Sie fordern von mir Mitgefühl und Einsicht, dass „auch er“ nun Hilfe seitens der Familie braucht.
Ich könnte in die Luft gehen. Auch? Ich bekomme gar keine Hilfe! Im Gegenteil, sie erschweren mir meine Versuche, irgendwie weiter zu machen.
Immer wieder höre ich: „Wir haben drei Kinder! Wir wollen keins unserer Kinder verlieren.“
Ich bin manchmal so kurz davor, den Kontakt doch abzubrechen. Einfach irgendwo hinzuziehen, ohne irgendwem zu sagen, wohin. Aber dann stehe ich wieder vor dem Dilemma: Was ist mit meinem Kind? Für mein Wohlergehen, setze ich das innige Verhältnis zu den Großeltern auf’s Spiel? Das kommt mir so unendlich falsch vor und es würde mich sicher genauso zerstören, wie die jetzige Situation. Und überhaupt, würde mir das wirklich helfen?
Aber wie soll ich nur mit der jetzigen Situation umgehen?
Am liebsten würde ich meine Eltern an die Gurgel gehen und fragen, ob das ihr Ernst ist, sich derart zu verhalten. Sie verstehen nicht, dass sie ein Kind damit verlieren. Auf kurz oder lang. Und zwar nicht den „ach so armen T*ter“, sondern das m*ssbrauchte Kind.
Sie wissen um dieses schwer geschädigte Vertrauensverhältnis, ich habe es ihnen mehr als deutlich gesagt. Aber nichts, rein gar nichts ändert sich.
Ich bin so verzweifelt. Wollen mich meine Eltern überhaupt noch?
Ist das vielleicht alles nur so halbherziges Gerede von wegen „Wir haben drei Kinder, die wir lieben“?
Ich weiß, ich bin erwachsen, ich trage selbst die Verantwortung für mein Wohlergehen, aber ich fühle mich allein gelassen. Wieder fühle ich mich allein gelassen.

Liebe Grüße