Ich sitze vor dem Kühlschrank, er ist geschlossen.
Mache ich ihn auf? Ja? Nein? Vielleicht.
Mein Magen knurrt, ich habe hunger.
Esse ich was? Ja? Nein? Vielleicht.
Mir ist schlecht, ich esse weiter.
Sollte ich aufhören? Ja? Nein? Vielleicht.
Ich stehe im Bad und sehe die Kloschüssel an.
Werde ich es tun? Ja? Nein? Vielleicht.
Ja, ich will dünn sein.
Nein, ich will mich nicht weiter quälen.
Vielleicht schaffe ich es nie an mein Ziel.
Essen war immer ein verdammt wichtiges Thema in meiner Familie. Die Mutter Ernährungscoach, der Vater hat mich vollgestopft mit Essen. Streit ums Essen, Streit ums Kind.
Kindergarten: Hänseleien.
Grundschule: Hänseleien.
Gymnasium: Hänseleien, Gewalt.
Realschule: Hänseleien, Gewalt.
Fachoberschule: Ignoranz, Verachtung.
Irgendwo wärend meines ersten Aufenthalts in einer Klinik wegen Depressionen habe ich angefangen zu hungern. 5 Tage lang nichts gegessen. Nicht, weil ich abnehmen wollte, sondern weil ich meine ruhe haben wollte.
Dann kam ich an die Fachoberschule. Meine Schulfreundin nahm Tabletten. Übergab sich aus "Nervosität" und aß kaum, weil die Medikamente ihr "auf den Magen schlagen". Ich sah ihre Rippen. Sah, wie jeder Kerl sich um sie riss. Wie leicht ihr Leben zu sein schien. Jeder mochte sie. Freunde hatte sie im Überfluss. Jeder bewunderte sie für ihre tolle Figur, ihre Art. Ich stand auf Partys immer in der Ecke, weil man mir sonst auf die Füße stieg oder sein Getränk über mich verschüttete. Ich aß seit der Grundschule aus Stress, aus Angst, zur Beruhigung. Mit dem Gymnasium traute ich mich nicht mehr aus dem Zimmer. Ich kam von der Schule, aß zu Mittag, nahm mir einen Haufen Süßkram mit ins zimmer und versuchte meinem Leben zu entfliehen. Ich aß wärend ich las, wärend ich am PC saß, wärend ich Hausaufgaben machte.
Jahre später mit 16, als ich dann von Zuhause ausgezogen war, weit weg von meinen Eltern, und abnehmen wollte, konnte ich nur in das andere Extreme. Nichts essen. 300 Kalorien als Maximum am Tag. Je weniger, desto besser. Zwischen drin immer noch dieser Zwang zu essen. Nach einer Stunde, oder zweien, auch erst am nächsten Morgen, wurde mir klar was ich getan hatte. Ich sah die ganzen leeren Verpackungen, Krümel überall, die Kleidung voller Schokoflecken. Der Kühlschrank war leer. Ekel, Scham, Hass. Die Waage sprang hoch und runter. Um diese Tage auszugleichen aß ich noch weniger.
Ich hatte immer wieder Phasen, in denen ich klar im Kopf wurde und ausbrechen wollte. Ich versuchte, 3 Mahlzeiten am Tag zu essen bis ich wirklich richtig satt war. Ich habe mich zum Essen gezwungen, egal wie schwer es mir fiel. Für 3, 4 Wochen ging es dann wieder bergauf mit mir. Ich habe die Waage in der Zeit nicht mehr betreten. Kaum war ich Einkaufen weil ich eine neue Hose brauchte, der Schock: 42. Immer noch. Wieder. Ich saß so viele Nächte heulend in meinem Zimmer, habe meine Beine angeschrien. Meinen Bauch geschlagen. In den Spiegel gesehen und mir Beleidigungen an den Kopf geschmissen. Ich aß wieder nichts.
Dann, eines Nachts am Fluss, fand mich ein junger Mann. Wir unterhielten uns. Waren schnell Feuer und Flamme füreinander. Er hatte einen kleinen Bauch, liebte Essen und sah es gern, wenn ich aß. Vielleicht, weil es so selten war. Er holte mich aus dem Dunkeln ans Licht. In so vielerlei Hinsicht.
Wir sind jetzt 2 Jahre zusammen. Ich trage immer noch 40/42. Ich versuche, normal zu essen. Es gelingt mir selten. Entweder ich esse ununterbrochen, oder gar nichts. Letzte Woche habe ich das erste mal Erbrochen und mich furchtbar geschämt. Ich nehme viel Abführmittel.
Er weiß von allem. Er ist mehr als überfordert. Ich habe ihm zu liebe immer wieder gegessen. Meistens zu viel.. Das war dann ein "normaler" Tag:
-Morgens 3 Schüsseln Cornflakes, Nutellabrot und Schokolade
-Mittags McDonalds und Eis
-Nachmittags Eis und Schokolade und Kekse usw...
-Abends Pizza, Eis, Schokolade.
Nur wenn ich so gegessen habe war er zufrieden. Nur so.
Wollte ich mal einen Salat essen, war er wieder hellhörig.
Jetzt trinke ich nach dem Essen etwas.. Und sofort kommt ein Kommentar: "Ah, jetzt wieder viel trinken, hmm?" Ich finde Zettel auf denen "erst kochen dann ko**en" steht.. Ich bin fix und fertig.
Ich konnte "meinen" Körper noch nie leiden. Fühle mich gefangen in diesem Ding. Ich will ihn nicht kränken. Will nicht wieder so verloren und ohne Lebenslust sein wie damals zu meinen "best-zeiten"... Aber ich will immer noch abnehmen... wir haben schon besprochen dass wir zusammen abnehmen wollen. Fitnessstudio, zusammen essen usw.. Ich gehe jetzt 2 bis 3 mal die Woche ins Fitti. Er kommt nie mit. Hat keine Lust. Darum muss ich es alleine anpacken.. Und davor habe ich etwas angst.
Ich finde nicht, dass ich ekelhaft Fett bin oder sowas. Blödsinn. Trotzdem hasse ich es, in den Spiegel zu sehen... Normaler BMI, alles super. Rein Theoretisch. Praktisch... naja...
Ich hoffe, es ist ok dass ich das mal geschrieben habe... Ich kann mich nirgendwo ausreden. Meine (Ex-)Therapeutin fühlt sich dem ganzen nicht gewachsen (Essstörung, Depression, PTBS..), Freunde hören mir nicht zu. Ich soll mich nicht so anstellen. Ich war 4 Monate stationär, mal wieder. Als ich das meiner damals besten Freundin erzählt habe, hat sie mich ausgelacht. Dass ich da nichts zu suchen hätte. Bei mir ist doch alles super. Sie war dieses Mädchen, das aus Nervosität erbrach... usw.. Wir haben da eine intensive Zeit miteinander erlebt, haben Ängste Sorgen und Nöte geteilt.. Aber sie glaubte mir nie ein Wort.. Egal.. Ich habe mit ihr keinen Kontakt mehr..
Nun, es ist ein langer Text, ja.. Ich hoffe auch, es ist nicht so durcheinander.. Vielleicht hat ja jemand von euch einen Tipp, was ich machen könnte... Wie gesagt.. Ich will da nicht wieder rein. Aber ich will auch nicht so bleiben, wie ich bin. Ich versuche, täglich auf meine 1200 Kalorien zu kommen, aber nicht über 2000 zu gehen.. Ach.. Keine Ahnung... Wenn der Beitrag unerwünscht ist, sagt bescheid...
- FedernImFell -