Hab den Brief noch paar mal geändert, ich hoffe der paßt jetzt.
Hallo Mutter, Hallo Vater, Hallo Bruder,
ich schreib euch allen drein mal was

Ich finde ihr alle habt ein Problem. Das will ich ändern.
Leider erreich ich euch momentan nicht mehr verbal, wenn es um meine Krankheit geht. Ich habe das Gefühl alles was ich sage wird sofort im Keim erstickt und es werden (ur)alte Meinungen über mich herausgeholt.
Aber ich bedanke mich jetzt erstmal für eure Sorgen und eure Unterstützung. Danke.
Jetzt aber dazu was mich momentan sehr sehr beschäftigt. Meine Krankheit. Ich habe das Gefühl das meine Krankheit bei euch der Mittelpunkt ist und das ihr keine Ahnung habt, wie es mir dabei geht. Ich habe den Eindruck, ich werde in den meisten Angelegenheiten auf meine Krankheit reduziert. So kommt es mir jedenfalls vor.
Vielleicht fällt es euch einfacher, wenn ihr euch mal in meine Lage versetzt. Das versuche ich jetzt hiermit.
Ein gutes Beispiel. Tut mir leid, das du jetzt gleich dafür herhalten musst, Werner:
Vater du hast mich letzten Freitag angerufen und mich zugeredet, dass Vollrente das beste für mich sei und ich soll nichts daran ändern. Das ganze ist ja nicht schlimm, aber du hast dich nicht interessiert dafür wie es mir mit meiner Freundin geht und du hast mir nicht erzählt wie schön es ist, das du endlich Rentner bist, worauf du dich seit Jahren freust. Nur weil ich es angesprochen habe, habe wir uns kurz darüber untertalten aber im Endeffekt ging nur um meine Krankheit und meine Rente. Zudem bist du das erste mal Streng zu mir. Ich bin jetzt 34, Vater. Bitte nimm Dir den Ernst und die Evelin nicht als Vorbild. Ich fände es besser, wenn wir normal reden würden. Einfach normal, ich rede gerne mit Dir und rede auch gerne mehr mit dir.
Worauf ich hin will. Ich hab am 30.09 wieder einen Teilzeitvertrag unterschrieben bei der Firma und arbeite seit 01.10 wieder dort. Die Arbeit macht mir sehr viel Spaß und mit dem Chef verstehe ich mich auch sehr gut. Ich bin froh, heilfroh so einen Arbeitgeber gefunden zu haben, der das erstmal alles mitmacht. Und ich habe mit ihm gesprochen was wir machen, wenn sich wieder ein psychischer Rückfall andeutet. Also habt keine Angst deswegen. Mir ist mein Lebenslauf sehr wichtig und will keine Lücke mehr.
Und jetzt kommt ihr drei. Versetzt euch doch mal in meine Lage. Ihr fängt wieder nach einer Krankheitsepisode das arbeiten an und die ganze Familie erzählt euch ständig was von Rente und drohenden Krankheitsschüben. Würdet ihr da nicht ins Grübeln kommen? Hättet ihr da nicht weniger Energie? Hättet ihr nicht Angst vor der Zukunft? Wäret ihr nicht weniger glücklich, weniger positiv geladen?
Und das ist es was ich mein. Momentan bekomme ich meine positiven Schübe nur von meinen Freunden. Von euch bekomme ich nur was zu hören was mich runterzieht. Nicht böse gemeint, ihr meint es ja nur gut, aber es fällt euch jetzt hoffentlich auf. Mich macht das jedenfalls ganz schön fertig.
Ich bin froh nicht arbeitslos zu sein und ich habe genaue Vorstellungen von meiner Zukunft. Ich denke im Gegenzug, wenn ich krankwerd, dann werd ich eben wieder krank. Ich werde ja wieder gesund, habe keine bleibenden Schäden und sterben tu ich auch nicht. Klar, kann ich mir vorstellen das es für euch eine Belastung ist. Aber warum? Mir gehts ja nicht schlecht wenn ich nen Krankheitsschub hab. Das kommt bei euch irgendwie nicht an. Wenn euch das alles zuviel ist, dann mach ich den nächsten Aufenthalt auch ohne eure Unterstützung. Wenn euch das hilft. Auch nicht bös gemeint.
Jedenfalls wäre ich euch tausendfach dankbar, wenn ihr in Zukunft nicht mehr von einem sicherem Krankheitsschub ausgehen würdet, sondern mal positiv denkt und mir vermittelt das es hinhaut. Denn dann denke ich ist es für alle einfacher. Ich denk mir eben, das wenn wir es so machen könnten, ich nicht mehr soviel grübeln würde und noch mehr Stabilität hätte.
Ich hoffe ich konnte mich richtig ausdrücken, ich bin niemanden sauer, sondern dankbar und ich will einfach was ändern. Etwas ändern was ich finde was die falsche Richtung genommen hat. Ihr seid momentan einfach zu überfürsorglich. Ich bin ein Erwachsener Mensch und kein Typ der kurz vor seiner Entmündigung steht.
Ich habe im Moment soviel Energie durch meine Freundin. Ich setz momentan alles auf eine Karte. Ich will es ausprobieren, was ich alles schaffen kann. Judith wird auch "etwas" länger bei mir bleiben. Und selbst wenn es nicht klappen sollte will ich mein Ding durchziehen. Mir tut das gut.
Ich hab endlich mal das Gefühl, vom Bauch und vom Kopf her, das ich das richtige tue und zwar in allen Bereichen. Ich will auf eigenen Beinen stehen und treffe meine Entscheidungen ab sofort allein. Auch nicht bös gemeint

Ich bin kein schwacher passiver Mensch mehr, ich bin stark und selbstständig. Ich fühle mich seitdem am Leben.
Also geht bitte ab sofort nicht mehr von einem höchstwahrscheinlichen Krankheitsschub aus (das ist nicht übertrieben, das tut ihr wirklich), sondern unterstützt mich bitte. Die Unterstützung wäre ja schon mit einem einfachen Satz getan: "Das wird schon hinhaun". Aber ich glaube im Moment, dass das für euch schwerer ist als gesagt. Positiv denken.
So, jetzt bin ich fast am Ende meiner Abhandlung. Ich hoffe ja, das dieser Brief vorallem dich Mutter nicht mitnimmt, nicht heulst und du trotzdem in Ruhe schlafen kannst. Denn ich will nicht das es Dir wegen mir schlecht geht. Aber wenn ich das alles nicht schreiben würde, würde ich irgendwann mal verbal platzen. Und das will ich nicht. Glaubt mir, ich würde gerne mehr Rücksicht nehmen und ich weiß es dreht sich nicht alles um mich. Aber in meinem Leben bin ich der Hauptdarsteller und mir geht es wegen dem allem wirklich sehr sehr schlecht, ich muss was dagegen machen. Und außerdem, würde ich das ganze hier schreiben, wenn ihr mir nicht wichtig wärt und ne große Rolle in meinem Leben spielt???
Seht das bitte alles nicht als Anschuldigungen, oder irgendwie so in der Richtung. Ich möchte nur das ihr mal versteht, was in mir vorgeht. Und das ist schon länger so. Aber ich bewege mich so langsam in die Richtung, wo nur noch ein Tropfen reicht und ich platze. Platze vor Wut und Verärgerung das meine Krankheit wichtiger ist als mein echtes Leben.
Ich habe jetzt über diesen Brief eine Nacht geschlafen und mir geht es jetzt schon besser. Im Moment weiß ich gar nicht mehr, ob dieser Brief eine soooo gute Idee ist. Denn ich kann euch momentan nicht einschätzen. Aber ich glaube es ist das richtige was ich tue. Ich denke nicht, das ich übertreibe mit dem Thema.
In liebe, euer Andreas, der nicht mehr will, das seine Krankheit das Hauptthema ist. Sondern ab sofort ein Thema worüber wir normal reden können. Ohne Ängste und Vorstellungen das auf jedenfall ein Krankheitsschub kommt, wenn ich dies oder das mache.
ALLES WIRD GUT !!!!
