ich habe heute euer Forum entdeckt und angemeldet weil ich hoffe hier etwas "seelischen" Beistand oder Rat zu bekommen. Wie bei so Vielen, geht es auch mir so dass ich nicht richtig weiß wo ich anfangen soll. Es wird wahrscheinlich ein langer Text

Auch ich bin seit nunmehr 10 Monaten in einer Fernbeziehung auf 600km zwischen Deutschland und Holland. Er wohnt in meiner Heimatstadt und ich bin vor einem Jahr zum Studieren nach Holland gezogen; ich bin deshalb umgezogen, weil ich in Deutschland für mein Fach Psychologie (bitte keine Vorurteile

Vor 10 Monaten kam dann eben mein Freund dazu. Da er eine Ausbildung macht, bin ich (bis auf 3 oder 4 Ausnahmen) regelmäßig in Abständen von weniger als 14 Tagen zu ihm gefahren. Die Fahrt dauert zwischen 7 und 9,5 Stunden, die Kosten teilen wir uns.
Ich kämpfe seit einiger Zeit dafür, dass ich weniger fahren "muss". Die Fahrerei belastet mich sehr und es kam auch schon vor, dass ich geweint habe beim Gedanken daran dass ich in nacher Zukunft erneut ca. 8h im Zug/Auto sitzen muss. Wieso mich das so mitnimmt, kann ich nicht genau sagen - beim Gedanken an die Fahrerei drehen meine Gefühle völlig durch und ich bin total durcheinander. Meine Vermutung ist, dass ich sowohl an meinem neuen Wohnort hänge und mich hier wohlfühle, als auch (natürlich) in meiner alten Heimat. Weil ich das Heimweh aber noch nicht überwinden konnte, würde ich lieber dort fernbleiben (Strategie wie beim Liebeskummer nachdem Schluss war: alles weg!). Der Trennungsschmerz jedes Mal von meinen Eltern ist immens - denn das "zu Hause"-Gefühl überschwemmt mich regelrecht.
Durch meinen Freund muss und möchte ich ja aber relativ häufig nach Hause fahren. Es geht mir immer sehr gut dort und ich kann meine Batterien aufladen, fühle mich wieder in meiner Mitte, ausgeglichen und stark genug jeden Fels im Leben zu meistern. Manchmal denke ich, dass doch alles viel schöner wäre wenn ich einfach wieder dort wohnen dürfte... doch dann denke ich an mein schönes, geliebtes Holland und dass ich mich gewissermaßen wieder darauf freue, dort hinzugehen (auch wenn ich meistens lieber noch etwas mehr Zeit zu Hause genießen möchte).
Doch sobald ich im Zug sitze, legt sich ein Schalter um. Ich werde aggressiv, emotional kalt und abweisend, versuche "stark" zu sein. Die ersten Tage kann ich gut mit der Trennung umgehen (scheinbar?). Mir geht es gut, wieder meinem Alltag nachgehen zu können, meinen eigenen Tagesrhythmus zu machen - und mich voll und ganz meinem, ebenfalls, geliebten Studium zu widmen.
Nach ein paar Tagen gibt es dann zwischen mir und meinem Freund ordentlich Krach, weil einem von uns beiden eine Kleinigkeit auffällt die gepusht wird bis zur Eskalation. Vertragen tun wir uns trotzdem immer.
In ca. 10 Monaten wird er mit seiner Ausbildung fertig sein und möchte, so ist es geplant, zu mir nach Holland ziehen. Allerdings habe ich immer öfter das Gefühl, dass er eigentlich nicht hierher ziehen will (weil auch er recht heimatgebunden und emotional ist) - und ich möchte ihn nicht ins gleiche Elend stürzen wie ich das mit mir selbst gemacht habe!
Bisher habe ich den Beitrag geschrieben, ohne groß über die Gefühle zu meinem Freund zu reden. Unsere Beziehung ist sehr kompliziert momentan, weil wir die Entfernung beide nicht ertragen. Er setzt mich, inzwischen weniger, täglich unter Druck, weil ihm alle 14 Tage zu wenig sind - er möchte, dass ich öfter fahre. Und da ich Studentin bin, die flexible Zeiten hat, kann ich ja auch öfter fahren... Das macht mich immer mehr außerordentlich wütend und aggressiv ihm gegenüber, weil er nicht akzeptiert dass mich das alles sehr belastet. Diese Aggressivität schafft natürlich Distanz und verwirrt mich im Hinblick auf meine Gefühle für ihn! Er sagt, er hat Verständnis für mich - seine Erwartung bzw. sein Verlangen nach öfter Sehen bleiben jedoch unverändert. Ich weiß, dass er extreme (wirklich extreme!) Verlust- und Trennungsangst hat. Und ich glaube, das liefert ihn gewissermaßen an diese Rücksichtslosigkeit aus, die ich jedes Mal zu spüren bekomme; und die nach und nach meine Zuneigung und Liebe zerstören, so mein Gefühl.
Sonst war mein Muster immer, bei Verwirrung oder zu viel Enttäuschung: Trennung. Bei ihm will ich das nicht und wüsste auch, das es nicht wirklich das wäre was gut für mich ist. Wahrscheinlich bin ich auch etwas verwirrt, weil er der erste ist, bei dem ich soviel fühle - und dem ich mich vor allem nicht entziehen kann, ob ich will oder nicht. Das fühlt sich irgendwie gut an...

(Ich hoffe, der Fokus gerät nicht zu sehr auf ihn. Schließlich ist dies nur meine Sicht der Dinge, die sehr wahrscheinlich etwas extremer als die Wirklichkeit ist

Wenn ich all das bedenke, kommen in mir Zweifel auf, was die Beziehung betrifft. Mein Herz schreit JA wenn ich an ihn und eine gemeinsame Zukunft denke - da gibt es überhaupt keinen Zweifel. Mein Verstand aber sieht all die scheinbar unvereinbaren Probleme. Jeder Weg scheint einen riesen Mist hinter sich herzuziehen...
Meine konkreten Probleme sind:
- Will ich vielleicht wieder nach Hause und habe mir mit "Projekt Holland" zuviel vorgenommen? Es macht mich mächtig stolz hier zu studieren und die Ausbildung gefällt mir. Seelisch ausgeglichen war ich allerdings maximal ca. 7 Tage am Stück.
- Was, wenn ich wieder in Deutschland wäre? Ich würde mir vorkommen wie ein Versager. Was wäre meine Zukunft... Psychologie ist quasi unmöglich, was also alternativ tun?
- Würde ich Holland abbrechen würde ich sowohl mir als auch meiner Beziehung bzw. meinem Freund Vorwürfe machen - dessen bin ich mir fast sicher. Weil ich für das Scheitern des Studiums meine Beziehung oder meine persönliche Schwäche verantwortlich machen würde
- Bleibe ich in Holland und ziehe noch mindestens 2 Jahre mein Studium durch? Streit, Kampf um die Fahrerei, emotionale Imbalance,... aber: Internationalität (ich liebe das Treffen neuer Kulturen! Holland bedeutet für mich gewissermaßen das Tor zur Welt, momentan), guter Abschluss, nicht erneute Umgewöhnung.
Ich hoffe, es war nicht zuviel zu lesen...

Wie würdet ihr euch entscheiden? Bzw. was sind eure Überlegungen dazu? Bin für jede Anregung dankbar!
Liebe Grüße,
Alyasia (w, 22)