Danke Mäuschen,
du hast echt viel Zeit und Arbeit in mich investiert.
In der letzten Klinik, der Spezialklinik, als es feststand, dass ich gehen müsse, legte ich viel Hoffnung auf ein gutes Abschlussgespräch mit Zukunftsorientierung. Andere Patienten zeigten sich dankbar und motiviert. Das wollte ich auch. Sie nannte Schematherapie als ganz wichtig. Auf meine Frage, was das ist, bekam ich nur die Antwort, dass das viele noch nicht kennen würden. Ich dachte schlechte Stunde wie so oft, ich versuch es morgen noch mal. Gleiche Antwort. Keine Erklärung, keine Hilfe bei der Frage, wie weiter. Ich fragte die Ärztin. Antwort: sprechen Sie mit Ihrer Therapeutin. Ich fragte die Schwestern absichtlich zu einem Zeitpunkt, wo sie nicht unter Arbeitsdruck standen. "Chemotherapie?" "Nein, Schematherapie." Sie kannten es nicht und sagten zuversichtlich und lächelnd, dass das I-Net für alles Antworten habe. Sie schauten nach, ohne dass ich mit auf den Bildschirm sehen konnte. Dann wurden ihre Mienen ernst und sie verwiesen mich auf die Therapeutin. Ich suchte selbst im Netz. Es ist fast nichts zu finden und was ich fand unverständlich für mich. Und als ich keine Schematherapie in meiner Umgebung fand, gab ich die Suche auf. In der letzten Woche meines Aufenthaltes sprach mich eine Mitpatientin aus meiner Gruppe an, weil sie es nicht mehr ertrug, wie der Rest der Gruppe und zum Teil auch Personal über mich sprach, argumentierte und unangemessene Vorhaben vorbrachten. Ich weiß, dass ich durch mein verknotet sein nicht gerade beliebt bin und sich nicht jeder mit mir abgeben mag, aber ich hatte keine Ahnung, wie schlimm es vielen mit mir geht. Ich weiß nicht, wie ich das ändern könnte, die Sozialphobie wird wohl der Hauptgrund sein. Diese offene Mitpatientin erzählte mir, dass sie während des Klinikaufenthaltes die Stadt lieb gewonnen habe, hier herziehen und ihre Heimat verlassen möchte. Für dieses Unterfangen habe sie in der Nähe der Klinik einen Verein für Frauen gefunden, den sie um Unterstützung bitten wolle und einen Termin vereinbart. Da sie überhaupt kein Problem mit meinen Macken zu haben schien, hatte ich den Mut, sie zu fragen, ob sie mich mitnehme, um zu fragen, ob die mir zu einer Schematherapie verhelfen könnten. War auch gut so, denn sie half mir, dass überhaupt ein Gespräch zustande kam. Das Ergebnis war, dass die Beraterin/Therapeutin sagte, sie müsse mich ein wenig kennen lernen, um einschätzen zu können, welche Therapie die günstigste sei. Am Tag des Termins - ich war seit 2 Tagen entlassen und hatte im Gegensatz zu fast allen anderen Krankenhauspatienten das Glück, ortsansässig zu sein - ging mir mein fahrbarer Untersatz kaputt und die Werkstatt brauchte 8 Wochen für die Reparatur. Einerseits traurig, dass es mit der Frage "wie könnte es weiter gehen?" nicht weiter ging, andererseits froh, keinen Direktkontakt haben zu müssen, schickte ich per Mail eine Entschuldigung fürs nicht kommen. Sie bot mir als Überbrückung Mailgespräche an. Während der Reparaturzeit nahm ich wahr, dass ich in der Lage bin, mich zusammenhängend mitzuteilen, also mehr als nur Ein- oder 3-Wortsätze, nicken, Kopf schütteln oder gar nichts sagen. Das war schon mal überwältigend für mich, weil ich inzwischen schon überzeugt war, dass ich über alles meine Person betreffend nicht sprechen kann. Oft kam ich an meine Grenze, weil ich mich in Bezug auf Gefühle und Symptome nicht erklären konnte. Und dann schrieb sie mir Fragen, ob es so oder so sei. Durch sie habe ich Formulierungen gefunden und konnte mich erstmals meiner Ärztin, meinem Sohn und meinen Freundinnen erklären, was wiederum bei ihnen viele Fragen beantwortete und sie mich inzwischen ein bisschen besser verstehen. Anfangs nutzte ich ihre Formulierungen, später fand ich eigene. Sie ist auch die erste Therapeutin, die mich versucht, zu fordern, ohne zu überfordern (was natürlich im Nicht-Direktgespräch, wo man sich nicht sieht, nicht ganz einfach scheint). Aber was für mich völlig neu ist: bei ihr werde ich weder beschimpft, ignoriert, genötigt noch bestraft, wenn ich mal dissoziiere, in Panik gerate oder erbrechen muss und sie tut meine mitgeteilten Gefühle weder verneinen noch verbieten. So hatte ich mich bis jetzt durch jede Therapie, egal ob stationär oder ambulant, gekämpft. Du wirst sicher denken, ich übertreibe oder bin paranoid. In jeder Thera verfiel ich ab einer bestimmten Zeit auch immer in diesen Glauben. Im Austausch mit anderen Klienten wurde ein gravierender Unterschied sichtbar, wenn es um den Umgang von Personal mit Patienten ging. Anfangs glaubten mir auch nicht so recht die paar Mitpatienten, denen ich mich anvertraute. Konnte ich ihnen nicht verübeln, war ja nicht umsonst in Behandlung und sie sind keine Fachleute, um es richtig einordnen zu können. Anfangs lief es ja auch versteckt, sprich unter vier Augen ab. Später nahm sich das Personal auch in der Öffentlichkeit nicht zurück. Sie zeigten dann ihr Verhalten auch auf dem Gang, in der Visite und Gruppentherapien. Zu diesen Zeitpunkten war ich völlig überzeugt, dass es an mir liege und war ständig am überlegen, wie ich das ändern könnte. Ich nahm Andere kaum noch wahr, nur noch mich und meine Peiniger. Erst durch Rückmeldung der Mitpatienten bekam ich ihre Beobachtungen mit. Ich war erstaunt, dass selbst Patienten, denen ich - keine Ahnung warum - aus dem Weg ging und sie mir auch, nun plötzlich auf mich zu kamen, weil sie mir ihr Erleben mitteilen wollten, weil sie irritiert waren vom Umgang mit mir und es ihrem Gerechtigkeitssinn widersprach. So teilten sie mir z.B. mit, dass andere Patienten im dissoziativen Zustand liebevoll umsorgt werden, während ich nach Wegtreten in der Gruppe Wasser ins Gesicht gespritzt bekam mit einem Schwall abfälliger Worte. Nach jeder nächtlichen Fugue wurde ich bestraft, in dem ich 24 Stunden mein Zimmer nicht verlassen durfte und das Handy abgeben musste. Anfangs passierte das bis 2 mal in der Woche, gegen Ende meines Aufenthaltes oftmals 2 mal die Nacht. Am letzten Sonntag dort, ich saß wieder im Zimmer fest, hatte die Oberschwester Dienst und fragte mich, ob ich nicht ein Stück draußen spazieren gehen möchte und vielleicht mit meinem Sohn telefonieren. Sie sagte, ich könne nichts dafür und fände die Behandlung nicht richtig. Das tat mir in dem Moment gut. Sie verwies mich darauf, dass sie nicht der Chef sei, nur nach Anweisung handeln dürfe, heute keiner von der Station Dienst habe und vom Handy und Spaziergang keiner erfahren bräuchte. Leider konnte sie sich auf ein Gespräch nicht einlassen.
Andere Situation: ich wusste nun vom Begriff Dissoziation, aber bekam keine näheren Auskünfte, weder in der Einzel, noch in der Gruppe, noch bei den Schwestern, noch bei der Ärztin, auch nicht auf schriftliche Anfrage. Also versuchte ich es über Mitpatienten in der Freizeit. Es fiel ihnen schwer, es mir verständlich rüber zu bringen. Bis eine sagte, sie habe Unterlagen aus einer anderen Klinik mit, die das gut erklären und sie würde sie mir ausleihen. Das fand ich toll, endlich eine Chance, meinen Wissensdurst zu stillen. Kurz nachdem ich sie bekam, war Visite angesagt, die, wenn man als einer der letzten Zimmer dran ist, lange dauern kann. Ich legte mich aufs Bett und fing an zu lesen. Ich rutschte immer wieder weg und meine Bettnachbarin holte mich zurück. War ich wieder im Hier und Jetzt und sah, womit ich mich eigentlich beschäftigte, war zwar das Wegtreten nervig und frustrierend, aber der Wissensdrang war größer und ich las weiter. Dann passierte mir etwas Dummes. Gerade in dem Moment, als die Visite das Zimmer betrat, trat ich wieder weg. Danach dachte ich, ich bin im falschen Film, fühlte sich auch so an. Das Lesen Krankenhaus fremder Unterlagen wurde mir verboten. Im Vorfeld auch gleich das Stöbern im Internet mit der Begründung, das ich Falschdaten erhalten könne. Und dass ich sie (Personal) fragen könnte, wenn ich etwas wissen will. Die Visite war heftig. Ich wurde beschimpft. Ich hatte keine Ahnung, wieso. Ich war nicht in der Lage, mich zu wehren. Ich war in mir gefangen und konnte weder meine liegende Lage ändern noch bekam ich einen Ton heraus. Als Strafe bekam ich, 24 Stunden im Zimmer zu bleiben, Handy für die Zeit abzugeben und ich sollte einen Fragebogen ausfüllen über mein "destruktives Verhalten". Wer solch einen Fragebogen bekam (meist ging es um SVV oder Brechen der Hausregeln), musste ihn in der nächsten Gruppentherapie vortragen und dies wurde als Thema genommen. Die schriftliche Vorbereitung half mir, das mitzuteilen, was mir zur Visite nicht möglich war: keine Auskünfte trotz Versprechen und meiner Fragen, Bestrafung bei Eigeninitiative, Beschimpfungen bei nicht erklären können der Situation. Fragen wie z.B. nach der Fehlereinsicht beantwortete ich mit nein, da ich keinen Fehler in meinem Verhalten sah, oder wie man zukünftig mit diesem destruktiven Verhalten umzugehen gedenke, war, dass ich jede Quelle nutzen werde, um mich selbst erst mal verstehen zu können. Das war die erste "Fragebogen-Situation" in der Gruppe, wo keiner eine Rückmeldung gab, auch nicht der Therapeut. Übrigens: die Frau, die mir die Unterlagen aus lieh, musste sich für ihr "böses" Verhalten eine Standpauke vorm gesamten Gremium anhören, musste versprechen, so etwas nie wieder zu tun und wurde verpflichtet, am gleichen Tag vor den Augen einer Schwester die besagten Unterlagen per Post nach hause zu schicken.
Damit aber noch nicht zu Ende. Einmal wöchentlich gab es als Therapie für alle eine sogenannte medizinische Sprechstunde, die Frau Oberärztin abhielt. Dort durften wir allgemeine, nicht persönliche Fragen stellen, die weitestgehend viele interessiert. Ich bin eine brave Patientin und gehe immer erst mal zu jeder verordneten Therapie, auch wenn ich mir vor Angst fast ins Höschen mache oder schon vor Beginn merke, ich bin nicht ganz bei mir. Hauptsache ich bin erst mal da, vielleicht bleibt ja doch was für mich positives hängen. So saß ich mit einem Großteil vor der verschlossenen Tür des Konferenzzimmers, als die Oberärztin kam, mich erblickte und mich zornig fragte, was ich hier zu suchen hätte, ich solle ins Zimmer gehen. Ich war völlig irritiert, bekam nur das Wort "was" gestammelt und war nur gefangen in dem Gefühl, dass ich schon wieder die Einzige bin, die zusammen gestaucht wird. Die Oberärztin sammelte sich und sagte in ruhigerem Ton, dass sie gedacht hatte, man hätte es mir mitgeteilt, dass ich nicht daran teil nehme. Auf meine Frage, wieso, meinte sie, es hänge mit meiner Erkrankung zusammen, ich könne nichts dafür. In den Stunden danach sprachen mich viele Klienten an, dass sie nicht verstehen könnten, wieso ich nicht dabei sein durfte, weil sie mich als genau die ansehen würden, die da hinein gehört hätte mit all meinen Fragen. Das Thema war Dissos, Entstehung, Aussehen, Therapie usw. und zum Schluss bekamen sie gesagt, wie sie mit mir umzugehen hätten, also aus der Disso helfen ja, aber kein Körperkontakt um z.B. Ammoniak aus der Tasche zu nehmen, selbst dann nicht, wenn ich es ihnen erlaube. Ich dachte, ich spinne. Sorry für den Ausdruck, aber mir fehlt dann jedes Weltverständnis. Jeder, wirklich jeder Patient war der Meinung, dass ich die Richtige in dieser Thera gewesen wäre. Ich versuchte Infos über den Inhalt zu bekommen. Klienten konnten mir nur wenig helfen, manche wussten gar nichts mehr, die meisten nur ganz wenig, der Infoberg wäre einfach zu riesig gewesen, um sich das alles merken zu können. Jeder vom Personal hielt sich zurück und schickte mich ins Einzel und dort bekam ich auf meine Fragen nur ein bezauberndes Lächeln als Antwort, bevor sie mit ihren Vorbereitungen für die Stunde fort fuhr.
Irgendwann bekam ich einen Platz bei einer (sich selbst stolz nennenden) Traumatherapeutin. Sprechen wie immer für mich kaum möglich. Ich hoffte inständig, dass sie mich "geöffnet" bekommt. Sie motivierte mich, Fragen zu Dissos zu stellen, bis ich den Mut hatte, und anfing. Auf allgemeine Frage kamen Antworten. Mir war, als verstünde ich nur, so lange sie sprach. Hätte mich jemand direkt nach der Stunde gefragt, ich hätte es nicht erklären können. Es war, als hätte ich nur ein wages Gefühl von Verstehen. Sie ermutigte mich zu weiteren Fragen und ich war froh, dass es endlich jemand gab, der meinen Wissensdrang verstand. Doch als meine Fragen spezieller wurden, wie z.B. die, die ich als Erstes hier im Forum niederschrieb, hörte ich immer öfterer, dass sie mir das nicht erklären könne, da das Thema Trauma und Dissoziation noch völlig in der Forschung sei. Aber sie würde mir helfen, wo sie könne, ich sollte gern weiter fragen. Irgendwann kam nur noch "das weiß ich nicht". Ich bat sie um Infos, wo ich Antworten finden könnte. Unter anderem lieh sie mir das von dir genannte Buch Traumabedingte Dissoziationen bewältigen an. Ich war ihr dankbar und nur ein ganz klein wenig traurig, dass sie so wenig wusste. Ich war nicht sauer, kein Mensch weiß alles, so meine Einstellung. Wichtig war mir, dass sie mich interessierende Quellen kannte, preis gab und mir sogar ihr teures Buch lieh. Problem war, dass ich mit dem Buch nicht viel anfangen konnte, sie um Hilfe bat und als Antwort bekam, ich müsse mich nur intensiver damit beschäftigen. Wir sprachen das Thema nie wieder an; ich hatte nicht den Mut und sie? - weiß ich nicht.
Immer wieder fällt im Zusammenhang mit Stabilisierung das Wort Ressourcen. Auch ein Thema, dass in allen Theras zuvor ich nicht verstanden habe und bis heute noch keinen Bezug zu mir finde, um es evtl. nutzen zu können. Ich höre und lese immer nur heraus, dass das eine enorme Rolle spielt. Ich verstehe es in Zusammenhang mit Betrieben, sprich effektiverer Einsatz von Mitarbeitern z.B. durch Motivation und Anerkennung, spezialisierterer Einsatz, Überstunden reduzieren um Ausbrennen zu vermeiden, wo kann man Finanzen sparen, wo Finanzen besser einsetzen, wie werben für größeren Kundenzuwachs usw. Firmen bezogen scheine ich es gut zu verstehen, aber ich finde keinen Bezug zu mir. Ich nahm allen Mut zusammen und brachte diese Frage im Einzel vor. Sie gab mir dies als Hausaufgabe. Ich bat um wenigstens ein Beispiel, dass sie als Ressource an mir sieht, in der Hoffnung, dann die Aufgabe vielleicht hinzubekommen. Sie ließ sich betteln, dann schaute sie mich an und meinte, meine Intelligenz. He, Intelligenz? Wo ich null Durchblick habe? Das soll eine Ressource von mir sein? Ich bat um Erklärung. Sie stand in dem Moment vor mir, etwas größer als ich, also mit Blick von oben. Sie streckte ihren müden Körper, auf den Zehenspitzen stehend mit den Armen nach oben, grinste mich dabei an und meinte, "machen Sie Ihre Hausaufgaben". Ich weiß nicht warum, mich packte die Panik und ich floh, als wäre der Sensenmann hinter mir her. Wir sprachen auch über dieses Thema nie wieder.
Das sind nur ein paar Beispiele, aber bei Helfern passiert das immer und immer wieder, nur halt andere Personen und andere Themen/Auslöser/oder weiß der Himmel. Es zieht sich grob gesehen wie ein roter Faden durch die Theras: freundliche Aufnahme, ich Angst, erste Unmutsäußerungen vom Gegenüber, ich noch mehr Angst, Angriffe (verbal, körperlich....) unter vier Augen, ich verbiege mich und suche nach meinen Fehlern, in der großen Hoffnung, dann Lösungen zu finden, erfahre Umgang mit anderen Klienten und bin neidisch, frustriert, ängstlich mit immer wiederkehrender Frage, was mache ich falsch und noch mehr Rückzug, offene Kampfansage oder Ignoranz aller Helfer (einzige Ausnahme war die Schwester, die ich oben benannte), heimlicher Zuspruch selbst von Patienten, die mich eigentlich nicht mögen, Wut bei mir und Personal, nur mit dem Unterschied, dass ich mich fast nie ausagieren kann, alle sind froh, wenn ich Klinik verlasse: ich, Personal, und auch Patienten, weil sie dies selbst nur als Zuschauer langsam unerträglich finden.
Noch zu ein paar von dir genannten Dingen:
"- Der innere Garten. Das sind viel so Imaginationsübungen, die häufig bei Tramas eingesetzt werden, um wieder eine innere Stabilität und so zu bekommen. Eigentlich auch ganz cool. Funktioniert aber nicht beim ersten Mal und man muss es wirklich üben, damit es klappt. Gilt übrigens auch für die Dissoziationstechniken."
War neu für mich und hab es in einer regelmäßigen Thera kennen gelernt. Ich weiß nur, dass es in der einen Klinik so war, hab aber eigentlich kaum Erinnerung. Hab es schon paar mal zu hause probiert, immer wieder aufs Neue in der Hoffnung, es hat sich vielleicht doch etwas mit der Zeit geändert. Ich komme nicht weit. Entweder Bauchschmerzen, weinen oder ich werde so wütend, dass ich die Wand vermöbel (dabei komm ich selten aus mir raus). Ich kann dir nicht erklären, was da abläuft, nur, dass sich alles in mir sträubt und ich es nicht mehr probieren will.
"Es ist etwas völlig normales, dass es einem nach/bei Therapien ersteinmal schlechter gehen kann. Das liegt daran, dass Verarbeitungsprozesse in Gang gebracht werden."
Vom Grund her - deine Worte mal einfach so auf den Tisch gelegt - sehe ich als richtig an.
Nach den ersten Theras konnte ich es nicht einordnen, logo, für eine Einschätzung fehlte es mir an Erfahrungen. Wenn ich jetzt die letzten 5 Jahre zurückblicke, muss ich feststellen, dass ich in jedem weiteren Jahr verknoteter und unselbständiger wurde. Ich denke immer, es liegt an mir, ich muss mir nur mehr Mühe geben. Aber irgendwie wollte bzw. will dieses Konzept nicht aufgehen.
"Du sprichst von vielen Therapien. Wieviele hast du denn gemacht und was waren die Gründe, sie zu beenden? Hast du noch niemanden gefunden, mit dem du längerfristig zusammenarbeiten könntest?"
Nur mal die letzten 5 Jahre, seit die Begriffe PTBS und Dissoziationen aufgetaucht sind (vorher hatte ich eine Unmenge an Diagnosen, z.T. auch sehr absonderliche wie z.B. schmerzfreie Migräne und so) sind es ungefähr - ähm, keine Ahnung - Theras, davon die Reha in der Traumaklinik, 2 verschiedene psychiatrische Stationen, die sich Trauma spezialisiert nennen, der Rest offene und geschlossene Station was die stationären Theras betrifft. Die ambulante Traumathera ging ein Jahr mit 1x wöchentlich. Auf der Suche nach Therapien mit Gespräch haben mich 4 nach dem 1. Gespräch weggeschickt mit der Motivation, mir jemand Anderes zu suchen. Ungefähr eine Hand voll wollten ein paar Eckdaten per Telefon und sagten dann ab und dass sie mich auch nicht auf die Warteliste nehmen zu könnten. 2 oder 3 meinten, sie machten grundsätzlich nur 25 Stunden. Nach der Reha (die ich oben als Spezialklinik benannte) machte ich meiner Ärztin klar, dass Klinik und Gesprächsthera nicht mehr in Frage käme. Sie suchte mit mir nach einem Kompromiss, wenigstens nicht ganz aus der Behandlung zu fallen. Wir einigten uns auf 2x wöchentlich Kunstthera und mindestens 1x wöchentlich Besuch der Begegnungsstätte, wobei es ihr/mir in erster Linie um Interaktion ging. Kunst ging 1 Jahr, vom groben Ablauf wie oben benannt. Leiterin der Ergo, die ich jetzt habe, übernahm mich mit 2x wöchentlich. Geht jetzt seit einem Jahr. In die Begegnungsstätte bin ich 2 Jahre, konnte dort aber nie warm werden. Wegen meinem Versprechen der Ärztin gegenüber und aus der Hoffnung heraus, dass es irgendwann hilfreich für mich sein könnte, ging ich den Terminen nach. Montag Mail-Gespräch, Dienstag und Donnerstag Ergo, Freitag Begegnungsstätte. Und Soziothera sollte anlaufen, aber die Thera schrieb mir, dass sie nicht mehr wüsste, was sie mir beibringen könne, da ich schon so viel probiert hätte. Das teilte ich der Ärztin mit und diese drängte auf mich ein, sie nur ja nicht zu beenden, vielleicht wäre auch ein Wechsel innerhalb des Teams möglich. Keine Ahnung, warum ich nicht tu, was mein Inneres sagt. Gegen meinen Willen und im Interesse der Ärztin schrieb ich zurück, dass ich um ihre Hilfe bitte und auch mit einem Personalwechsel einverstanden wäre, wenn sie mich abgeben möchte. Es gab eine lange Teambesprechnung und dann die Kündigung, dass sie nicht in der Lage wären, mir bei meinem Krankheitsbild zu helfen, denn dafür wären sie nicht ausgelegt. Ich hab da keine Ahnung, ich war erst mal froh, dass ich meine Kraftreserven in Bestehendes stecken konnte. Vor jedem Termin habe ich einen riesen Horror davor, meist mache ich mich schon einen Tag vorher wuschig und kann kaum oder gar nicht schlafen. Ich bin dann hingefahren und war selten noch zu irgend etwas zu gebrauchen. Das Alltagsleben mit Einkaufen, Müllentsorgung, Wohnungsreinigung war der Rest der Woche, mehr ging nicht. Ich bat die Ärztin, etwas kürzer treten zu dürfen, sie fand das aber gar nicht gut, hegte in ihrem Kopf viel größere Pläne und sähe ein, dass diese Pläne umzusetzen momentan nicht möglich sind. Das ganze Jahr war nur ein Kampf. Und ich kämpfte, dachte, ich müsse mir nur richtig Mühe geben, dann würde ich irgendwann Therapie und Begegnungsstätte so angenehm und hilfreich empfinden wie andere. Gegen Ende des vergangenen Jahres war ich am Ende. Ich schaffte zwar noch die Wege bis zur Arztpraxis, aber reingehen ging nicht. Das Gleiche bei der Begegnungsstätte: paar mal bis vor die Tür und dann Panik. Rein theoretisch passiert dort nichts schlimmes. Die sind lieb und verständnisvoll und doch ertrug ich es nicht mehr. Jetzt sitze ich in meiner Wohnung fest und wage mich nicht mehr nach draußen. Verblieben ist mir jetzt noch das "Mail-Gespräch", unser Kontakt ist jetzt fast 2 Jahre, und die Ergo im Hausbesuch. Anfangs dachte ich, jetzt ist nicht mehr so viel Stress, da kann es nur noch besser werden. Was für ein Trugschluss.
"An sich müssten Therpeuten mit dieser Angst ja auch umgehen können."
Und das kenne ich bis jetzt nur von der Ergo- und Mail-Gespräch-Thera. Beide, unabhängig von einander, haben mir mitgeteilt, dass das ihr Part sei und nicht meiner. Von mir erwarten sie nur Bereitschaft und dass ich das tu, was gerade geht. Nach so vielen schief gelaufenen Helfer-Kontakten tut das echt gut. Das Gefühl, dass sie mich nicht als schmutzig, eklig, absurd, an Heilung desinteressiert sehen, meinen inneren Kampf wahrnehmen und in ihren Möglichkeiten mir beistehen - ich glaubte eine Zeit lang, dass es so etwas für mich nicht gäbe: Mensch sein zu dürfen und als solcher gesehen zu werden.
"Tut mir leid, aber ich reagiere ein wenig allergisch auf Menschen, die ihre Kompetenzen überschreiten."
Da hast du ja auch schon so Einiges mit "Helfern" durch.
"Das Problem an Dissoziationen ist auch, dass sie chronisch werden können und sich völlig verselbstständigen können. Daher sollte man da schon etwas gegen tun..."
Ich bin 53 und es scheint alles so festgefahren, nicht nur die Dissos. Ich habe Angst, ich komm da nicht mehr raus und die Zukunft besteht nur noch aus Aushalten.
"Und dann kam mir noch die Idee, wenn du Schwierigkeiten hast, mit jemandem zu reden: Ist es schon schwierig, mit der Person in einem Raum zu sein oder "nur" das Reden? Weil ihr könntet euch in der Therapie ja beispielsweise Whatsapp Nachrichten hin und her schicken, wenn dir schreiben leichter fällt. Ich habe mit meinem Seelsorger auch schon geschrieben, statt gerdet, wenn das gerade nicht ging..."
Ich kann selten sprechen. Die Ergothera hat mir in einer der ersten Stunden einen Zettel und Stift rübergeschoben und sich so verhalten, als wäre alles normal. Ich schreibe ihr oft das Nötigste. Sie hat mir damit die Idee und den Mut gegeben, dies bei meiner Ärztin zu tun. Zu ca. 90% will mir das Reden nicht gelingen. Das Schreiben ist ein Kompromiss, aber weil es länger dauert als reden, kann ich nicht so viele Fragen beantworten bzw. etwas mitteilen. Und ich kann es nur mit einem kleinen Personenkreis, die, die mir rüber bringen, dass sie es möchten.
"Wünsche dir alles Gute! Und die Gedanken zu den vorherigen Kommentaren kommen noch

"
Danke dir.
Oh, jetzt bin ich selbst überrascht, wieviel ich geschrieben habe. Mit Hilfe der Mail-Gespräch-Thera kann ich mich artikulieren, wenn es um mich geht, das Schreiben/Mitteilen aus der Ferne fällt mir leichter und dein Interesse gab mir die Motivation dazu. Jetzt bin ich nur verunsichert, ob ich dich nicht mit dem ganzen Geschreibsel erschlage. Ich bin das erste Mal in einem Forum und weiß nicht, welches Verhalten man hier erwartet. Vielleicht kannst du mir einen Hinweis dazu geben.
Mit freundlichen Grüßen,
Limmchen