WerBinIch hat geschrieben:Inwiefern erzählt ihr einem neuen Partner von eurer Vergangenheit? Von eurer Therapie?
Ich bin seit einem Monat mit meinem neuen Freund zusammen, wir kenne uns aber seit 5 Monaten, stehen uns echt nah inzwischen. Er ist (noch) 25, ich 20.
Langsam bekomme ich das Bedürfnis mich ein bisschen zu öffnen, was meine Vergangenheit anbelangt, aber ich bin unsicher wie viel ich erzählen soll?
Ich finde es ist schwierig, eine Art "Richtwert" zu finden, wann man seinem neuen Freund so etwas sagt. Erst mal solltest du selbst dir darüber im Klaren sein, dass und ob du ihm diese ganze Vergangenheit zumutest.
Denn 1. könnte es dir danach nicht besser gehen und 2. muss er selbst auch mit den Informationen klar kommen können. Ich weiß nicht ob 6 Monate da genug Zeit ist, um gleich mit allen vier Punkten hervor zu kommen. Es ist nicht so, dass du beispielsweise Geld als Nacktmodel verdient hast (nur als Beispiel), sondern dass es sich hier um etwas dreht, was weiter in die Materie rein geht.
Mobbing: Gut. Wenn er es sowieso weiß, ist das ja schon mal durch. Ich selbst würde - falls ich gemobbt worden wäre - vielleicht gar nichts davon sagen. Aber nicht, weil ich meinem Partner etwas geheim halte, sondern weil das meine Art der Verarbeitung ist. Verstehst du, was ich dir damit sagen möchte? Ihm das anzuvertrauen bringt dir eigentlich nichts. Er kann dir nicht mehr helfen, es ist vorbei und du musst dich nie wieder mobben lassen. Es ist ein Kapitel, was an und für sich abgeschlossen ist.
Depression & Essstörung: Das Thema ist aktuell und zieht sich durch dein Leben. Ich denke das kannst du nach-und-nach anklingen lassen. Als Freund würde mich ein Brief mit diesem Thema - ehrlich gesagt - erschlagen. Das geht aber vielleicht nur mir so. Lieber wäre es mir persönlich, wenn man mit mir spricht. Es muss kein groß geplantes Thema sein. So etwas braucht Zeit. Man kann es individuell mal ansprechen, sagen was einen fertig macht und dass es nachgewiesenerweise nicht "nur" einfaches Traurig-Sein ist. Bei so einem Brief würde ich mich fragen, ob die Sache nun eine riesige Veränderung für die Beziehung mit sich bringt oder ob ich selbst sogar ein Problem für dich darstelle. Bitte nimm die Brief-Idee lieber als Plan B und öffne dich verbal.
Borderline: Extrem delikates Thema. Schieb das bitte so lange auf, wie du denkst, dass du selbst damit noch nicht ganz klar kommst. Kenne besser erst mal deinen eigenen Feind, bevor du ihn zu dem deines Freundes machst. Unter Borderline können sich sehr viele Menschen nichts vorstellen. Als Unwissender hätte ich, von schwarzen Zeichnungen bis zu furchtbarem SvV, sofort grausige Bilder dazu im Kopf. Das wäre eine Sache für einen Brief, aber meiner Ansicht nach nicht nach 1 Monat Beziehung. Bitte überstürze diese Punkte nicht!
Sexuelle Misshandlung: Auch eine heikle Sache, bei der ich persönlich nicht weiß, ob ich sie überhaupt so richtig thematisieren wöllte. Ich nehme mal mutig an, dass ihr ein gesundes Sexualleben habt. Wenn es da Grenzen gibt, wirst du ihm gewiss sagen, dass sie da sind. Wenn du mit der Sache aus der Vergangenheit abschließen möchtest, warum thematisierst du es dann mit deinem Freund und nicht mit deinem Therapeuten? Ich könnte mir vorstellen, dass du dich mit der Diskussion darüber enorm selbst triggerst.
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Ich habe das Gefühl dein Freund weiß noch nicht so viel von deiner gesundheitlichen Vorgeschichte? Nach einem Monat würde ich ihm auf keinen Fall diese Keule überziehen und gleich alle Sachen auf einmal auspacken. Ich hege keine Zweifel an eurer Liebe, aber die Wucht solcher Dinge kann den stärksten Mann in die Flucht schlagen.
Letztendlich ist dein Partner erst die dritte Instanz. Als aller erstes solltest du diese Sachen in deiner Therapie thematisieren. Und wenn das geschafft ist, müssen diese Dinge an dir selbst vollständig abgearbeitet sein. Wenn du dir dann sicher darüber bist, was du überhaupt sagen möchtest - weil es für dich selbst noch aktuell ist - und was du lieber in deiner Vergangenheit begraben wissen möchtest, dann kannst du darüber nachdenken es auch deinen Freund wissen zu lassen.
Was passiert, wenn du etwas ansprichst, mit dem du selbst nicht klar kommt? Was ist zum Beispiel wenn ihn diese sexuelle Vorgeschichte völlig aus der Bahn wirft und er nun hofft, dass du ihn beruhigst? Das funktioniert nicht, wenn du nicht selbst damit klar kommst. Bitte arbeite erst mal selbst an deinen Problemen. Dass du zur Therapie gehst weiß er ja sicher schon mal. Damit ist die Basis da.
Aber eine Partnerschaft mit
allem zu konfrontieren, was mal war, ist eine massive Zerreißprobe auf eine noch nicht ganz so lange oder feste Beziehung zueinander. Bitte lass dir Zeit und fordere dir selbst nicht zu viel auf einmal ab.