von Seelenflüsterer » Di. 05.05.2015, 00:14
Ich kann beide Sichtweisen gut nachvollziehen, tendiere aber gefühlsmäßig eher zu Nacbtigall. Ich finde auch, dass zur Autonomie des Menschen es auch gehört, dass er im Rahmen seiner Möglichkeiten über sein Ende entscheiden darf. Allerdings sollte er den Suizid dann auch selbstverantwortlich und selbstständig durchführen. Alles andere verträgt sich nämlich nicht mit der geforderten Autonomie und bringt andere Menschen unter Umständen in schwere Gewissensnöte. Des Weiteren hat m. E. jeder, der sich von dessem Ableben zutiefst negativ betroffen fühlen würde, das Recht alles zu tun, um ihn daran zu hindern. Niemand lebt nämlich nur für sich allein, der Mensch ist dem Menschen die Grenze. Die Betonung liegt allerdings darin, dass das Recht jemanden am Suizid zu hindern nur ihm wirklich nahestehende Menschen haben sollten, alles andere ist m. E. nur ein geheucheltes Betroffensein, das im Wesentlichen von der Konvention diktiert wird. Die in einem solchen Falle ausgeübte "Fürsorge" ist dann Übergriffigkeit, da sie sich nicht durch eine echte Beziehung zu dem suizidalen Menschen generiert und somit kein ehrliches Anliegen verfolgen kann.
Natürlich kann immer das Argument ins Feld geführt werden, dass der Suizidale aufgrund seiner psychischen Situation nicht Herr seiner Sinne ist, aber ich halte dieses Argument für schwach, da wir ohnehin zu keinem Moment unseres Lebens je ganz sicher sein können, ob wir voll und ganz klar sind, geschweige denn dass wir grundsätzlich einfach von einer freien Entscheidungsfähigkeit des Menschen ausgehen können. Im Gegenteil erweist sowohl die persönliche Erfahrung, als auch die Wissenschaft zunehmend, dass wir in all unseren Entscheidungsprozessen ständig allen möglichen z. T. irrationalen Impulsen unterworfen sind, so dass das Paradigma vom frei und souverän sein Handeln bestimmenden Menschen zunehmend fraglich wird. Bei psychisch Kranken mögen diese Einflüsse stärker ausgeprägt sein, aber das gibt dessen Mitmenschen nicht automatisch die Befugnis diesem das Recht auf irrationale Entscheidungen abzusprechen, die sie selbst ganz selbstverständlich jeden Tag sich selbst zugestehen und die ebenfalls nicht selten negative Folgen für sich selbst und die Mitmenschen mit sich bringen.
Fazit: Entweder jeder hat das Recht jeden ständig zu bevormunden, was natürlich Unsinn und in der Durchführung völlig unmöglich wäre, oder niemand hat das Recht jemand anderen zu bevormunden, es sei denn sein eigenes körperliches oder seelisches Wohlbefinden ist durch die Handlungen des Mitmenschen negativ tangiert.