von Funkenregen » Sa. 24.06.2017, 10:27
Hallo, WhiteFur
Deine Sorgen und Ängste kann ich sehr gut verstehen.
Ich befand mich vor gar nicht langer Zeit in einer sehr ähnlichen Situation und
vielleicht helfen dir meine Gedanken zu dem Ganzen.
Zunächst einmal - ich glaube nicht, dass du durchdrehst und in Wirklichkeit alles in Ordnung ist.
Denn - und entschuldige bitte, es hört sich sicherlich zunächst etwas esoterisch an, aber - was ist
denn schon Wirklichkeit? In meinen Augen existiert keine absolute Wahrheit. Die einzige Wahrheit, oder
Wirklichkeit, wenn du so möchtest, der wir uns annähern können, ist unsere subjektive, eigene.
Was wir fühlen und denken, das ist unsere Wahrheit und Wirklichkeit.
Und deine ist es, dass du mit deinem derzeitigen Beruf unzufrieden bist. Er erfüllt dich nicht und du sehnst dich nach Erfüllung, nach einer Sinnhaftigkeit, die dir jetzt fehlt. Du schreibst, dass du kein Ziel hast - aber das ist doch schon mal ein Ziel. Nur eben noch ein recht vages.
Wie könnte es dir gelingen, herauszufinden, wie dieses vage Ziel genau aussehen soll?
Das ist natürlich alles andere als leicht...persönlich habe ich mir damals folgende Fragen gestellt.
Ich schicke allerdings eine Warnung voraus, denn ich finde, sie sind keine leichte Kost, diese Fragen:
Wenn du heute sterben würdest, plötzlich und unvermittelt:
1) Was würdest du am meisten bereuen nicht getan zu haben?
2) Du blickst zurück auf dein bisheriges Leben...welche Momente waren es, die dir besonders
positiv im Gedächtnis geblieben sind? Welche Tätigkeiten haben dich erfüllt? Woran denkst
du mit einem Lächeln?
3) Du selbst musst entscheiden, ob dein Leben gelungen oder missverlungen ist.
Überlege, wenn was du tun müsstest, um auf dem Sterbebett sagen zu können, dass dein Leben gelungen
ist.
4) Stell dir vor, es würden auf deiner Beerdigung Reden über dich gehalten werden.
Was hättest du gerne, dass von dir gesagt werden kann? Was wäre dir wichtig, anderen zu zeigen?
Evtl. auch: Welches Zeichen möchtest du mit deinem Leben gesetzt haben?
Wie geschrieben: Diese Fragen könnten helfen.
Es müssen jedoch auch nicht exakt diese sein. Jegliches Nachdenken - vor allem tiefgreifendes, brutal
ehrliches Nachdenken - kann in deiner Situation hilfreich sein. (Du könntest auch darüber nachdenken, auf welchen Prinzipien und Werten dein Leben fußt und überlegen, welche Berufe dazu passen könnten? Vielleicht überlegst du auch, was du als Kind schon immer tun wolltest und warum? Zum Beispiel wolltest du zur Feuerwehr gehen, das heißt nicht, dass du auch jetzt noch genau diesen Beruf ergreifen möchtest. Doch eventuell sind deine Motive dieselben gelieben? An einer Tätigkeit bei der Feuerwehr könnte dich interessiert haben, Menschen zu retten - du überlegst dir eine soziale Arbeit. Oder das Feuer hat dich fasziniert - womöglich möchtest du nun mit Pyrotechnik/in Belangen den Brandschutz arbeiten? --> Alles nur Beispiele)
Du siehst schon, ich liebe die "Lehnsessel-Methode".
Das heißt, ich löse solche Dinge gerne durch pures Nachdenken vom meinem Sofa aus.
Manchen Menschen liegt das gar nicht...
Falls du zu solchen gehörst, wie wäre es dann, schlicht in die "Welt hinauszugehen und sich auszuprobieren"?
Hast du die Gelegenheit Praktika zu machen? Dann könntest du in verschiedene Bereiche, die dich womöglich interessieren, hineinschnuppern?
Aber was, wenn du dies geschafft hast und dein Ziel haargenau kennst?
"Sollte ich einfach mal den Schritt wagen und etwas verändern?
Aber was, wenn ich dann feststelle, dass es ein Fehler war?
Oder was, wenn ich dann eine ganz andere Arbeit mache und merke, das ist mindestens genauso schlimm?"
--> Meiner bescheidenen Ansicht nach, ja: Wage es, verändere etwas!
Du scheinst mir mit deinem jetzigen Tun nicht glücklich, ja nicht einmal zufrieden zu sein.
Wir Menschen haben nur ein Leben, eine Chance - sollten wir, so schwer es auch ist, nicht alles versuchen,
um glücklich zu sein? Dieses Leben gehört uns. Dein Leben gehört dir und niemandem sonst. Nicht dein Chef, nicht dein Stiefvater, nur dir. Es geht um dein Glück, nicht um ihres. Von daher - wage es.
Ja, es bedarf wahnsinnig viel Mut dazu, es ist ein Risiko. Doch es gibt im Leben, bei allem, was du tust, immer ein Risiko. Alles ist ungewiss und manchmal...muss man einfach ins kalte Wasser springen.
Was hast du zu verlieren?
Beziehungsweise: Was ist dir wichtig im Leben?
Radikal ausgedrückt: Geht es dir um Sinnhaftigkeit, Erfüllung und Glück oder geht es dir um ein gewisses Einkommen und Ansehen? Ersteres hast du in deinem jetzigen Beruf nicht, von daher nichts zu verlieren. Geht es dir im Leben um zweiteres, hast du schon etwas zu verlieren...
Ich denke zwar nicht, dass du (selbst im Worstcase) auf der Straße landen wirst, doch ob du an einem anderen Arbeitsplatz das Gehalt bekommst, das du an deiner momentanen Stelle bekommen würdest...fraglich.
Deine letzte Frage betreffend würde ich sagen:
Was hindert dich daran, dann erneut die Arbeit zu wechseln? Eventuell besteht, wie Wildbeere gesagt hat, sogar die Möglichkeit in deinen alten Beruf zurückzukehren? Oder, wie gesagt, du schnupperst zuerst in die Bereiche hinein, dann erhältst du vielleicht schon eine gewisse Ahnung davon...
...wobei ich sagen muss und das klingt sicherlich auch wieder harsch:
Unterliege nicht der Illusion zu denken ein perfekter Beruf garantiere ein perfektes Leben und vollkommene Glückseligkeit. Ich lehne mich weit aus dem Fenster und behaupte für mich den besten Beruf überhaupt gefunden zu haben. Ich liebe die Tätigkeit und lebe dafür...aber das heißt nicht, dass mein Leben sorgenfrei ist. Ich hab mich bewusst für das Glück in meinem Leben entschieden und nicht für das Gehalt und obwohl ich noch immer hinter dieser Entscheidung stehe, hat man am Ende des Monats doch zu kämpfen und zu knabbern. Das ist nicht immer leicht. Darüberhinaus gibt es selbstredend auch Tage an denen sogar ein perfekter Beruf anstrengend und frustrierend ist. Hinzu kommt das Private, in dem auch nicht immer alles rund läuft. Das Leben ist nun mal nicht auf Perfektion ausgelegt.
Was bleibt noch zu sagen?
Was auch immer du tun wirst, wofür du dich entscheidest oder auch nicht:
Ich wünsche dir alles Gute und viel Kraft!