von nothing » So. 05.03.2006, 21:23
Es war ein Abend wie jeder andere auch. Nichts besonderes war geschehen, nichts besonderes gesagt worden - bis vor zehn Minuten. Da hatte ihn jemand angesprochen, von dem er es am wenigsten erwartet hatte:
Sie. Sie; die eine, die schöne. Die, die er um alles in der Welt vergessen wollte, aber nicht konnte. Es tat einfach nur weh. Die alten Wunden brachen wieder auf, als er ihre Worte vernahm. Ihre Worte, die nichts böses hatten bewirken wollen, die einfach nur erfragten, ob es ihm gut ginge. "Ja, klar, warum denn nicht?" Natürlich ging es ihm gut... Nach außen hin. Nach außen war alles vollkommen in ordnung. Alles war "den Umständen entsprechen gut". Aber diese Umstände waren nun mal nicht die besten. Er hätte sie ertragen; so, wie er sie seit Jahren ertrug. Aber irgendwann ist es einfach zu viel. Der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Der kleine Stein, der den erschöpften zu Fall bringt. Das Hinderniss, das so klein und doch unbewältigbar ist.
"Es geht mir gut".
Das sagte er immer. Es war egal, wer ihn fragte, es ging ihm immer gut. Nach außen hin, war es schön; sein Leben. Es lief zwar nicht immer ganz rund, aber er war zufrieden. Nach außen.
Doch in seinem Innern sah es ganz anders aus. Jedes noch so kleine Bisschen Schmerz zerstörte ihn weiter. Niemand wollte es, niemand wusste es, aber es war so. Er wollte es nicht zeigen. Er wollte nicht sagen "Nein, es geht mir nicht gut!". Es war sein Inneres. ER ganz allein enschied, wer es betreten durfte, und wer gefälligst draußen zu bleiben hatte, und hier durfte nur er selbst hinein. Das war sein Geheimniss. Wie es ihm ging. Das wusste niemand wirklich. Er war inzwischen ein Meister darin, sich die verschiedensten Masken aufzusetzen. Er konnte im Inner vom Schmerz zerfressen werden, aber nach Außen sah er aus, als wäre er der glücklichste Junge der ganzen Welt. Als könnte nichts sein Gemüt trüben. Aber nachts, wenn er nicht schlafen konnte, und anfing mit sich selbst zu reden, und sich alles über sich selbst erzählte, kam die Wahrheit ans trübe Mondlicht:
Vor vielen Jahren hatte ein Mädchen ein Feuer in ihm entfacht. Lange Zeit war dieses Feuer seine Kraft gewesen; sein Antrieb; das, was ihn immer weitermachen ließ. Doch das hatte sich geändert. Das Feuer brauchte Nahrung. Und es verschlang ihn. Wie ein Fachwerkhaus, dass bis auf die grundmauern niederbrennt. Von Außen sieht es aus wie eh und je, doch innen hat das Feuer alles zerstört. Es ist nurnoch eine Leere Hülle, die einen verkohlten Kern verdeckt. Aber in ihm hatte dieser verkohlte Kern überlebt. Er lebte weiter. Und er leidete. Alles, was er noch empfand, war Schmerz.
Schmerz darüber, dass er nicht der war, der er sein wollte.
Schmerz darüber, dass er alleine nicht lebensfähig war.
Schmerz darüber, dass er vor ach so langer Zeit sein Herz verloren hatte.
Und Schmerz darüber, dass er viel zu vielen Leuten wichtig war. Wenn er seinem Leid ein Ende setzen würde, würde er damit viel zu vielen anderen viel zu sehr weh tun. Das war das Einzige, was ihn noch in dieser Welt hielt.